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Donald Trump auf einer Rolltreppe. Menschen winken dahinter und eine Kamera filmt ihn. Er hebt den Daumen hoch.
Legende: Das «Rolltreppen-Bild»: Am 16. Juni 2015 verkündet Donald Trump im Trump Tower in New York seine Kandidatur. Reuters

Vor den US-Wahlen Vier Jahre Trump: Wie der Präsident das Leben in den USA prägte

Die Rolltreppe, der Milliardär, die mexikanischen Vergewaltiger. Der Paukenschlag von Donald Trumps Einstieg in die Politik hallt bis heute nach. Er wurde zum Symbol einer Präsidentschaft. Zu einem Muster, bei dem Inszenierung und Provokation zuerst kommen, die Inhalte im Schlepptau.

Die Flucht ins eigene Lager wird wichtiger denn je. Mit der Folge, dass das Gegenüber zunehmend nicht mehr als politischer Gegner, sondern als Feind gesehen wird.

Letztere sehen die politischen Gegner als skandalös und schädlich, völlig klar. Die republikanische Orthodoxie, die Trump bei Themen wie Steuern, Waffen und in der Gesundheitspolitik verfolgt. Oder auch, wenn er in der Immigrations- und Handelspolitik den Mainstream seiner Partei brüskiert.

Aber am Schluss ist es immer das Trumpsche Gesamtpaket. Ein Gesamtpaket von Stil und Inhalt, das so viele kolossal provoziert und emotionalisiert. Wie ein Grundrauschen – für einige mit der Penetranz eines Tinnitus. Und weil man es nicht abstellen kann, wollen sie das Gegenprogramm hören. Immer lauter. Die Flucht ins eigene Lager wird wichtiger denn je. Mit der Folge, dass das Gegenüber zunehmend nicht mehr als politischer Gegner, sondern als Feind gesehen wird. Man nennt es Polarisierung.

So hat Donald Trump dem amerikanischen Leben weit über die Politik hinaus seinen Stempel aufgedrückt. Er hat es fast nach Belieben dominiert, die Berichterstattung geprägt. Und nicht selten haben sein harscher Stil, seine Fakten-Untreue und die Empörung darüber mehr Platz eingenommen als die Inhalte selbst.

Zufriedene...

Manchmal hätte man fast vergessen können, dass die Administration Trump eine politische Agenda verfolgte, der Präsident konsequent wie kaum ein Vorgänger Versprechen umsetzen wollte, und das auch tat.

Ob all der Entrüstung gegen Trump konnte einem bisweilen fast entgehen, dass viele seiner 62 Millionen Wählerinnen und Wähler zufrieden sind. Nicht alle, natürlich. Aber längst nicht nur diejenigen, die an Trump-Rallyes in der vordersten Reihe stehen, ihn blindlings als Messias feiern, als Bewahrer ihrer kulturellen, weissen Werte.

Aus konservativer, republikanischer Sicht ist einiges passiert.

Nein, auch weitere Millionen von Amerikanern die ganz einfach und sehr legitim seine Inhalte gut finden: Der Kriegsveteran, um dessen Traumas sich der Staat zu wenig gekümmert hat. Die Abtreibungsgegnerin, die konservative Richter fordert. Der Kohlenarbeiter aus West Virginia, der Handwerker aus Michigan, die sich jahrelang von der Politik nicht ernst genommen fühlen. Der Best-Verdienende, die Wirtschaftslobby, der Familienbetrieb, die sich alle über weniger Steuern und Regulierungen freuen. Die Evangelikalen, die religiöse Freiheiten unter Druck sehen, die Isolationisten, die US-Soldaten nicht mehr überall auf dem Erdball verteilt sehen wollen. Und viele und vieles mehr.

Kurz: Aus konservativer, republikanischer Sicht ist einiges passiert.

... und Enttäuschte

Natürlich hat Donald Trump auch vieles nicht erreicht. Einiges sei hier ohne Anspruch auf Vollständigkeit angetönt: Die Jobs sind – vor Covid-19 – nicht im grossen Stil aus dem Ausland in die Industriestaaten des mittleren Westens zurückgekommen. Die Wirtschaft lief gut, aber Trump war nicht der grösste Job-Präsident aller Zeiten. Die Schutzzölle haben die Chinesen nicht in die Knie gezwungen. Die Krankenversicherung Obamacare konnte er nicht abschaffen. Die Mauer zu Mexiko steht nicht annähernd. Trump hat zwar Milliarden dafür aufgetrieben, und viel in Gang gebracht, aber kein Cent kommt aus Mexiko.

Dazu kommt, dass Präsident Trump demokratische Institutionen, wie zum Beispiel Gerichte und eigene Regierungsstellen wiederholt mit Füssen trat, nicht bereit war, rechtsradikale Gewalt zu verdammen und sich immer wieder offen zeigt gegenüber Verschwörungstheorien. Alles Dinge, die sich für den Präsidenten einer Demokratie wie den USA schlicht nicht gehören. Und in der neueren Geschichte des Landes ihresgleichen suchen.

Covid-19 testete Donald Trump in allen Belangen, vor allem aber in Sachen Stil und Inhalt.

Dann kam Covid-19. Und die Krankheit stellte ein Land, das politisch bereits durchgeschüttelt war, völlig auf den Kopf. Sie testete Donald Trump in allen Belangen, vor allem aber in Sachen Stil und Inhalt. So stark wie je zuvor genügte er aber genau da vielen nicht mehr. Mit seinem Stil, wie er sich in der Krise gab, sie nicht ernst nahm, die Wissenschaft ignorierte und nicht bereit war, Verantwortung zu übernehmen. Und beim Inhalt, was er tat und unterliess und dazu beitrug, dass die USA das Virus bis heute nie wirklich in den Griff bekommen haben.

Das Gesamtpaket Trump, das seine Gegner schon seit Tag 1 die Wände hochgehen liess, fiel bei immer mehr Menschen in Ungnade. Schlicht und ergreifend, weil die Krise so vielen Menschen so nah kam wie nichts anderes in drei Jahren Trump. Sie krank machte, ihnen Verwandte und Freunde nahm, offenbarte, wie hilflos sie hohen Spital-Rechnungen ausgeliefert sind. Von den wirtschaftlichen Ausfällen ganz zu schweigen. Und in Ungnade fällt Trump auch, weil er in den letzten Tagen auf der Wahlkampf-Bühne steht und behauptet die Pandemie sei überwunden, wenn gleichzeitig neue Höchstzahlen bei Corona-Infektionen gemeldet werden.

Am Schluss entscheidet das Wahlvolk

Das ist kein Abgesang auf Donald Trump und schon gar keine Wahlprognose. Vielmehr eine Beobachtung, wie Stil und Politik eines Präsidenten in einer grossen Krise neu beurteilt werden können. Und viel grundsätzlicher; wie nach vier intensiven und lauten Jahren sich so einige ein bisschen weniger Grundrauschen und mehr Ruhe herbeisehnen. Die Anderen werden aus ihren Gründen sehr legitim wieder das Gesamtpaket Donald Trump wählen. Genauso, wie das in einer Demokratie sein muss.

Peter Düggeli

USA-Korrespondent, SRF

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SRF-Korrespondent Peter Düggeli arbeitet seit Sommer 2015 in Washington. Er ist seit 2010 bei SRF. Düggeli studierte an der Universität Freiburg Geschichte und Englisch und schloss sein Studium 1999 mit einem Lizenziat ab.

Tagesschau, 29.10.2020, 19:30 Uhr

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