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Vor Militäroffensive Israels Geflüchtete, Angriffe, Schmuggel – die Situation in Rafah

Der mediale Fokus verschiebt sich in die südlichste Stadt im Gazastreifen. Eine Übersicht zur prekären Lage.

Der Ort: Rafah ist eine palästinensische Stadt im südlichen Gazastreifen und liegt 30 Kilometer südwestlich von Gaza-Stadt. Israel plant dort, mit Bodentruppen einzumarschieren. Doch genau dort spielt sich bereits jetzt grosses Leid ab. Rafah hatte 2017 laut dem Palästinensischen Zentralamt für Statistik 171’889 Einwohner. Zur Stadt gehören ausserdem zwei Flüchtlingslager, in denen 2023 laut der UNRWA zusammen 133’326 Menschen leben. Damit ergab sich vor dem Krieg eine Bevölkerungsanzahl von mehr als 300’000 Menschen. Seit dem Beginn der Eskalation am 7. Oktober sind die Zahlen stark angestiegen, da zahlreiche Vertriebene im südlichen Gazastreifen Schutz suchten.

Die Problematik: Experten schätzen , dass sich zurzeit mit den Hunderttausenden Binnenflüchtlingen in dem Gebiet weit über 1 Million Menschen aufhalten dürften. Das entspricht gut der Hälfte der verbliebenen Bevölkerung des Gazastreifens von 2.2 Millionen. Unterbringung und Versorgung seien sehr schlecht, wie das UNO-Büro OCHA sagt. Der massive Anstieg der Zivilisten in der Region hängt damit zusammen, dass Israel zu Anfang der Bodenoffensive im November die Menschen in dem Küstenstreifen dazu aufgerufen hatte, sich in den Süden zu begeben, um nicht in Kämpfe mit der radikal-islamistischen Hamas verwickelt zu werden.

Angriffe auf Rafah

Die Besonderheiten: Den Grenzübergang Rafah kontrollieren ägyptische und palästinensische Beamte, wobei letztere unter der Kontrolle der Hamas stehen. Es ist der einzige Übergang zwischen Ägypten und dem Gazastreifen und damit dessen Lebensader zum Rest der arabischen Welt. Ägypten hat die Grenze seit Oktober jedoch regelmässig geschlossen, beispielsweise nachdem sie von der israelischen Luftwaffe auf palästinensischer Seite bombardiert wurde . Über Rafah kommt auch der Grossteil der Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung. Die israelische Führung vermutet, dass Tunnel, die unter der Grenze zwischen Ägypten und Gaza verlaufen, nach wie vor dem Schmuggel von Gütern und Waffen für die Hamas dienen. Eine weitere Besonderheit ist der Philadelphi-Korridor. Das sogenannte Gebiet ist ein Landstück entlang der Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen. Es wird aktuell von Ägypten kontrolliert.

Nach 2005 war dieser Streifen aber unter israelischer Kontrolle, bis ein Abkommen zwischen Israel und Ägypten verabschiedet wurde. Dieses sah vor, dass die ägyptische Grenzpolizei den Bereich sichert. Mit der anstehenden Operation der israelischen Truppen in Rafah steht das Abkommen in Gefahr, was eine rote Linie für Ägypten darstellt.

Die Reaktion der UNO: Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sagte am Montag im Morgenjournal des österreichischen Senders Ö1: «Mir fallen eigentlich keine Worte mehr ein, wie man die Situation zurzeit beschreiben kann.» Die Menschen hätten in Rafah nicht genügend zu essen und viele hätten erlebt, dass Familienangehörige getötet wurden. «In so einer Situation noch einen Angriff zu führen, da frage ich mich schon: Was muss noch passieren?», sagte Türk. Das UNO-Menschenrechtsbüro betrachte die Lage mit grösster Sorge. «Die kollektive Bestrafung der Palästinenser, vor allem auch die Abkoppelung von humanitärer Hilfe, ist eine Verletzung des humanitären Völkerrechts», sagte Türk. «Ich habe sehr schwerwiegende Bedenken, dass das, was sich vor unseren Augen abspielt, noch verhältnismässig ist.»

SRF 4 News, 12.02.2024, 05:00 Uhr;kesmu

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