Die Bambini, die Kinder, stehen in italienischen Familien im Mittelpunkt. Trotzdem gibt es im katholischen Italien seit 45 Jahren die gesetzliche Möglichkeit, abzutreiben – auch wenn den Frauen Steine in den Weg gelegt werden.
Jetzt will es das Parlament den Frauen noch schwerer machen, denn die Geburten im Land gehen zurück: Staatliche Beratungsstellen für Schwangere werden auch für Organisationen geöffnet, die gegen die Abtreibung kämpfen.
Falschinformationen im weissen Kittel?
Silvana Agatone ist eine erfahrene Gynäkologin. Sie hält nichts davon, dass Abtreibungsgegner nun ganz offiziell in staatlichen Beratungsstellen tätig sein dürfen. Diese Leute hätten keine professionelle Ausbildung, man wisse nichts über sie, manchmal würden sie gar in weissen Kitteln auftreten, obwohl sie keine medizinischen Kenntnisse hätten. Und sie könnten nun in vom Staat finanzierten Strukturen schwangere Frauen beraten. So will es die Regierung Meloni.
Seit 1980 arbeitet Agatone als Gynäkologin, hat während Jahren Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen. Oft würden militante Abtreibungsgegner tendenziöse oder falsche Informationen liefern. Sie würden den Frauen sagen, eine Abtreibung schade ihrer Gesundheit. Agatone befürchtet, dass solche Falschinformationen nun auch in staatlichen Beratungszentren verbreitet würden.
Auch Agatone möchte, dass Frauen ihre Kinder behalten. Aber jungen Familien müsse man auf andere Art helfen: «Vielen Paaren fehlt die ökonomische Stabilität. Sie verzichten auf Kinder, weil sie keine festen Arbeitsverträge und Kinderkrippen haben oder weil die Mieten zu hoch sind.» Daran habe auch die Regierung Meloni bisher nichts geändert.
Ein steiniger Weg
Tatsächlich kommen in Italien immer weniger Kinder zur Welt – auch wenn die Zahl der Abtreibungen rückläufig ist. Wer aber abtreiben möchte, steht vor einem Hürdenlauf. Die Schwierigkeiten beginnen damit, dass nur knapp 60 Prozent der italienischen Spitäler Abtreibungen überhaupt durchführen. Herauszufinden, welche, ist schwierig: Der Staat führt keine Liste mit den Kliniken, die die Fristenlösung anbieten. Man muss also herumtelefonieren, wobei die Zeit eilt, sind Schwangerschaftsabbrüche doch nur bis zum 90. Tag regulär möglich.
Das Problem: Vor allem im Süden Italiens weigert sich die Mehrzahl der Ärztinnen und Ärzte aus Gewissensgründen, abzutreiben oder nur schon ein Zertifikat für einen Schwangerschaftsabbruch zu unterzeichnen. 80 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in Kampanien, Apulien und Kalabrien treiben nicht ab. Auf Sizilien sind es gar 85 Prozent. Das hat auch damit zu tun, dass Abtreibungsärzte in katholischen Kliniken keine Arbeit finden. Von diesen Klinken gibt es in Italien einige – und sie wollen in der Regel kein Personal, das Abtreibungen vorgenommen hat.
Auch Agatone hat aus diesem Grund noch nie in einem katholischen Spital gearbeitet. Ihre Praxis in Rom wird sie altersbedingt bald aufgeben. Im Rückblick auf ihre über 40-jährige Tätigkeit sagt Agatone, sie habe stets respektiert, was Italien 1978 beschlossen hat: dass nämlich Frauen frei entscheiden, ob sie ein Kind austragen oder – nach einer professionellen Beratung – abtreiben. Dieses Recht sieht sie heute in grosser Gefahr: Mit Abtreibungsgegnern in staatlichen Beratungsstellen werde es für Frauen noch schwieriger, ihr Recht auf Abtreibung durchzusetzen.