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Vor zehn Jahren starb Mandela Südafrika muss von seinem Nationalhelden Nelson Mandela loskommen

Befreier, Ikone, Friedensnobelpreisträger: Nelson Mandela hat sein Land geprägt. Doch sein Erbe ist nicht nur ein Segen.

Das Vermächtnis: Nelson Mandela war nicht nur der erste schwarze Präsident Südafrikas – er hat das Land auch aus der Apartheid in die Demokratie geführt. Leonie March, freie Journalistin in Südafrika, sagt, Mandela habe als «Vater der Nation» das «Fundament für ein demokratisches Südafrika gegossen». Das Land sei stark geprägt durch seine Persönlichkeit, seine Versöhnungspolitik und seine Vision einer «Regenbogennation», in der alle friedlich zusammenleben, die gleichen Chancen haben und es keinen Rassismus mehr gibt. Diese Ideale seien während seiner Amtszeit auch in die Verfassung geflossen, eine der liberalsten und modernsten der Welt. Für viele in Südafrika bleibt Mandela ein Symbol der Freiheit und der Hoffnung – und auch ein Vorbild.

Mandela: Vom Häftling zum Präsidenten

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Nelson Mandela nach seiner Freilassung 1990 in Port Elisabeth.
Legende: Nelson Mandela nach seiner Freilassung 1990 in Port Elisabeth. REUTERS

Nelson Mandela wurde am 18. Juli 1918 in Mvezo geboren, einem kleinen Dorf am Ufer des Mbashe River am Ostkap Südafrikas. Ab 1944 engagierte er sich im African National Congress (ANC) – einer Organisation, die von 1960 bis 1990 in Südafrika per Gesetz verboten werden sollte.

Wegen seiner Aktivitäten gegen die Apartheidpolitik Südafrikas verbrachte Nelson Mandela zwischen 1963 und 1990 insgesamt 27 Jahre als politischer Gefangener im Gefängnis.

Am 11. Februar wurde Nelson Mandela aus der Haft entlassen. Wenige Tage zuvor hatte Staatspräsident Frederik de Klerk das Verbot des ANC aufgehoben.

Mandela und de Klerk erhielten 1993 gemeinsam den Friedensnobelpreis. Im April 1994 gewann der ANC die ersten demokratisch abgehaltenen Wahlen Südafrikas mit absoluter Mehrheit. Am 9. Mai wählte das Parlament Nelson Mandela dann zum Präsidenten Südafrikas. Nach einer Amtszeit zog sich Mandela 1999 aus der aktiven Politik zurück, engagierte sich aber weiterhin für soziale Institutionen und Menschenrechtsorganisationen.

Nelson Mandela war dreimal verheiratet und hatte insgesamt sechs Kinder. Er starb am 5. Dezember 2013 in Johannesburg.

Die gescheiterte Vision: Der ANC regiert seit mittlerweile fast 30 Jahren mit absoluter Mehrheit. Und die Bilanz ist ernüchternd: «Alle dachten, wenn Mandela an die Macht kommt, wird alles mit einem Schlag besser», so Journalistin Leonie March. Stattdessen grassieren seit Jahren Misswirtschaft und Korruption. «Von Mandelas Idealen ist nicht viel übrig», hält Leonie March fest. Es herrsche eine politische Elite mit einer Selbstbedienungsmentalität. Diese kümmere es nicht, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Armut lebe, mit täglichen Stromausfällen oder mit Plumpsklos in den Schulen. Wegbegleiter und politische Beobachter sagen auch, Mandela wäre über die jetzige Situation enttäuscht.

Die Kritiker: Journalistin Leonie March sagt, Mandela werde von vielen Südafrikanerinnen und Südafrikanern wie ein Heiliger verehrt – doch es gebe auch immer mehr Südafrikanerinnen und Südafrikaner, vor allem jüngere, die Mandela für die jetzige Situation verantwortlich machten. Im Zuge seiner Versöhnungspolitik sei er zu viele Kompromisse eingegangen. Die weissen Täter von damals seien nicht zur Rechenschaft gezogen worden und hätten beispielsweise auch ihr Land und ihre Unternehmen behalten dürfen. Somit sei eine gerechte Umverteilung bis heute ein unerreichtes Ziel.

Mandela und Palästina

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Am 27. Februar 1990 empfing Nelson Mandela Jassir Arafat am Lusaka Flughafen in Sambia.
Legende: Am 27. Februar 1990 empfing Nelson Mandela Jassir Arafat am Lusaka Flughafen in Sambia. REUTERS/Howard Burditt

Wenige Tage nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis 1990 umarmte Nelson Mandela Palästinenserführer Jassir Arafat. Dies war ein Symbol für seine Unterstützung der Sache der Palästinenser – eine Unterstützung, die die regierende ANC-Partei bis heute weiterführt.

So liess Mandelas Enkel Mandla Mandela in den letzten Tagen in Johannesburg eine Solidaritätskonferenz für die Palästinenser durchführen, an der auch Mitglieder der Terrororganisation Hamas teilnahmen. Im November unterstützte der ANC im südafrikanischen Parlament einen Antrag, die diplomatischen Beziehungen zu Israel auszusetzen, bis Israel einem Waffenstillstand in Gaza zustimmt.

Die wieder aufkommenden Vergleiche der Apartheid mit der Situation der Palästinenser in Südafrika wies Israel erneut als Lüge und als antisemitisch motiviert zurück.

Aus der jüdischen Gemeinde Südafrikas gibt es aber Stimmen, die zwar die Haltung des ANC ebenfalls kritisieren, die jedoch auch darauf hinweisen, dass Mandela selbst versucht habe, Brücken zu Israel zu bauen.

So war Mandela der einzige südafrikanische Präsident, der Israel seit 1994 besucht hat – wenn auch erst nach seinem Ausscheiden aus dem Amt 1999.  Laut einem Historiker sei er da von der israelischen Öffentlichkeit freudig begrüsst worden und habe den damaligen Premierminister Ehud Barak und den damaligen Präsidenten Ezer Weismann als «meine Freunde» bezeichnet.

Die Erben: Mit Mandelas Abgang als Präsident 1999 ging es politisch und wirtschaftlich stetig bergab mit Südafrika. Sein direkter Nachfolger Thabo Mbeki hatte geleugnet, dass das HI-Virus mit Aids zusammenhängt und liess in Südafrika keine Aidsmedikamente zu. Laut einer Studie ist das für Hunderttausende Tote verantwortlich. Nach Mbeki kam Jacob Zuma an die Macht. Ihm wird Ausbeutung des Staats durch Machtmissbrauch vorgeworfen – er stand deshalb immer wieder vor Gericht, ein Prozess mit möglicher Verurteilung wird jedoch immer wieder vertagt. Die Hoffnung auf seinen Nachfolger Cyril Ramaphosa war 2018 gross. Doch auch er konnte der Selbstbereicherung innerhalb des ANC kein Ende setzen, obwohl er sich um Reformen bemühte.

Der Weg aus dem Heldenkult: Der Mythos um Nelson Mandela habe Südafrika zweifellos geholfen, so Leonie March. Doch er könne auch lähmend wirken. Nelson Mandela habe selbst gesagt, man solle den ANC entmachten, sobald er die Leute gleich behandle, wie dies die Apartheid getan habe. «Ich glaube, an diesem Punkt ist Südafrika angekommen», so Leonie March. 2024 sind Wahlen, und der ANC könnte erstmals die absolute Mehrheit verlieren und dann gezwungen sein, mit kleineren Parteien zu koalieren. «Es braucht Menschen, die wirklich wieder am Land interessiert sind und nicht nur an ihrem eigenen Reichtum», so Leonie March.

SRF 4 News, 5.12.2023, 6:47 Uhr ; 

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