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Vorstoss in Russland Was über die ukrainische Offensive in Kursk bekannt ist

Russland kämpft im eigenen Land gegen einen ukrainischen Einmarsch. Experten ordnen die Absicht dahinter ein.

Das ist passiert: Vor drei Tagen ist die russische Region Kursk von ukrainischen Truppen angegriffen worden. Die Ukrainer rückten gemäss dem US-Institut für Kriegsstudien (ISW) zehn Kilometer weit auf russisches Gebiet vor. Laut russischen Angaben sind rund 1000 ukrainische Soldaten mit gepanzerten Fahrzeugen eingedrungen. In der Region wurde der Notstand ausgerufen. Rund 3000 Menschen sind Behördenangaben zufolge in Sicherheit gebracht worden. Die Ukraine schweigt bislang. Es ist einer der grössten ukrainischen Angriffe auf russisches Territorium seit Kriegsbeginn.

Die Lage in der Region Kursk: Zurzeit gibt es widersprüchliche Informationen zum Vorstoss. Laut russischen Behörden ist die Situation «unter Kontrolle», man habe einen Vormarsch ukrainischer Einheiten gestoppt und dränge sie zurück. Prorussische Militärblogger hingegen sprechen von einer «schwierigen Lage», die sich weiter verschlechtere, obwohl das Tempo des ukrainischen Vorstosses nachgelassen hätte. Die Ukrainer seien weiter nördlich Richtung Anastassjewka sowie nach Nordosten Richtung Korenowo gedrungen. Ausserdem ziehe die Ukraine Reserven nach und habe damit begonnen, ihre Stellungen zu befestigen. Zusätzliche 2000 Soldaten stünden dazu bereit. Örtlichen Berichten zufolge gibt es – wie in Medien zu lesen war – derzeit keine ukrainische Präsenz in der Kleinstadt Sudscha. Lediglich nördlich und westlich der Stadt wird von Schiessereien und Artilleriebeschuss berichtet.

Selenski hüllt sich in Schweigen

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Neben einem Haus ist starkes Feuer ausgebrochen.
Legende: Ein brennendes Gebäude in Sudscha. (Bild von 07.08.2024) MIC IZVESTIA/IZ.RU

Präsident Wolodimir Selenski lobte die ukrainische Armee für ihre Fähigkeit, zu «überraschen». Er erwähnte aber mit keinem Wort die Kämpfe in der Region Kursk.

Was könnte die Ukraine vorhaben? Über das Ziel des ukrainischen Vorstosses wird im Moment gerätselt. Laut dem Militärexperten Nico Lange geht es der Ukraine darum, die Initiative zu ergreifen. Es sei das erste Mal seit Herbst, dass es der Ukraine gelungen sei, Russland in Bedrängnis zu bringen, so Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz. Es gehe zudem auch um die «Herrschaft im Informationsraum», was den Ukrainern ebenfalls gelungen sei. Was die operativen Ziele der Ukraine seien, könne man seriös noch nicht beurteilen, sagt der Experte, der der deutschen CDU nahesteht. Man werde dies erst sehen, wenn die Ukraine weitere Truppen nachrücken lasse.

Von Gas-Pumpstation über Truppenbindung bis zu guter Presse

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ARD-Russland-Korrespondent Frank Aischmann kann nur mutmassen, was die Ukraine derzeit vorhat. Folgende Gründe sind ihm zufolge denkbar: Die Ukraine will in der Stadt Sudscha eine Pumpstation, die russisches Erdgas durch die Ukraine nach Südeuropa befördert, unter ihre Kontrolle bringen; die Ukraine will russische Truppen binden, weil Russland an anderen Frontabschnitten auf dem Vormarsch ist; die Ukraine will positive Schlagzeilen generieren, um die Position für mögliche Friedensgespräche zu verbessern. Im Moment wisse er es schlicht nicht.

Wie wird Russland darauf reagieren? In Moskau nannte Präsident Wladimir Putin am Mittwoch den ukrainischen Angriff eine schwere Provokation. Gemäss ARD-Korrespondent Frank Aischmann ist nun mit einem «grossen gezielten militärischen Schlag» auf die Ukraine zu rechnen – wohl auch auf zivile Infrastruktur, um die Handlungsfähigkeit Russlands zu demonstrieren. Zudem wolle Russland den UNO-Sicherheitsrat einschalten, weil offenbar ein russischer Militärkorrespondent eines staatlichen TV-Senders schwer verletzt worden sei, so Aischmann.

Gab es schon mal ähnliche Angriffe? Bei vergangene Angriffen in den Regionen Kursk und Belgorod operierten von ukrainischem Gebiet aus auch schon Freiwilligenverbände bestehend aus russischen Staatsbürgern. Das russische Freiwilligenkorps oder auch die Legion Freiheit Russlands sind damals mit ihrem Bekenntnis in die Schlagzeilen geraten. Aber jene Angriffe waren im Vergleich zum jüngsten Einmarsch in der Region Kursk verhältnismässig klein: Nur Dutzende – nicht Tausende – Bewaffnete waren beteiligt.

«Panik» bei den Russen

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Gemäss dem Militärexperten Lange müsse Russland nun Kräfte in die Region verlegen. Es sei «bemerkenswert», dass Russland offenbar «überhaupt keine operative Reserve» hatte, um auf diesem Angriff zu reagieren. «Da ist auf der russischen Seite ein bisschen Panik ausgebrochen», so Lange.

Krieg in der Ukraine

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SRF 4 News, 08.08.2024, 08:11 Uhr ; 

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