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Wachsender Frust Harter Alltag im Iran – ein Augenschein in Teheran

Der wachsende Frust der Menschen im an sich reichen Land sei spürbar, berichtet die Journalistin Rosa Lyon aus Teheran.

Darum geht es: Die schwierige Situation im Iran machte diesen Sommer Schlagzeilen. Eine Hitzewelle mit bis zu 50 Grad herrschte im Land. Es kam zu Wasserknappheit und Stromausfällen. Auch wirtschaftlich steht der Iran unter Druck. Nach der Wiedereinführung der UNO-Sanktionen gegen den Iran gelten seit Anfang Woche auch die Sanktionen der EU wieder. Die meisten Menschen sowie das Geschäftsleben litten und viele beklagten sich erstaunlich offen darüber, berichtet die ORF-Journalistin Rosa Lyon nach einem Besuch in der Hauptstadt Teheran vor einer Woche.

Das Wasserproblem: Die Zehn-Millionen-Metropole Teheran wird von acht zentralen Stauseen mit qualitativ hochwertigem Wasser versorgt. Doch die Wasserreserven sind ungenügend. Die Knappheit ist schon länger ein Problem, wird das Wasser doch auch grossflächig in der Landwirtschaft des trockenen Landes eingesetzt. Diese ist in den vergangenen Jahrzehnten massiv gewachsen. Viele Menschen beklagten sich, wie verschwenderisch der Iran mit dem Wasser umgehe, berichtet Lyon. Dass Präsident Massud Peseschkian diesen Sommer laut darüber nachgedacht habe, die Hauptstadt zu verlegen, sei so etwas wie ein Weckruf gewesen. Wasser werde auch künftig ein grosses Thema für den Iran bleiben.

Das Regime: Die Unzufriedenheit mit dem Regime sei gross und die Menschen äusserten auf der Strasse auch relativ unverhohlen ihren Unmut, sagt Lyon: «Wenn man über Wirtschaft, Lebensbedingungen und Inflation mit den Menschen spricht, sind sie alles andere als scheu.» Tatsächlich verarme hier ein potenziell reiches Land, wobei immer auch Menschen profitierten. Der Iran hat riesige Ölreserven und exportiert auch viel Öl. Hauptsächlich nach China, aber auch Afghanistan und Russland sind wichtige Handelspartner. Gerade gibt es einen neuen Vertrag mit Russland für den Bau von vier Atomkraftwerken im Süden. «Das Regime ist also nicht völlig von der Welt abgeschnitten, auch wenn das internationale Zahlungssystem Swift blockiert ist und vor allem die US-amerikanischen Sanktionen massiv wirken», stellt Lyon fest.

Teheran
Legende: Ungewisse Zukunft: Hochbetrieb auf dem Grossen Bazar in Teheran am 29. September 2025. Kurz zuvor setzte die Europäische Union nach den gescheiterten Rettungsversuchen für das Atomabkommen mit dem Iran ausgesetzte Sanktionen wieder in Kraft. Keystone / EPA / ABEDIN TAHERKENAREH

Die Proteste: «Einen Führungswechsel von innen heraus aufgrund der grossen Unzufriedenheit sehe ich aber nicht», sagt Lyon. In den vergangenen Tagen und Wochen habe es zwar unüberseh- und unüberhörbare Proteste in Dutzenden Städten und Sitzstreiks an mehreren Universitäten des Landes gegeben. Auf den Strassen seien etwa Lastwagenfahrer und Pensionierte, weil es schlicht zu wenig Essen und zu wenig Geld gebe: «Ein kinderloses, pensioniertes Ehepaar aus der Mittelschicht erzählte mir, dass es sich den einen Liter Milch pro Monat als Luxus nicht mehr leisten kann.»

Frauen und Kopftuch: Es sei offenkundig, dass sehr viele Frauen in der Hauptstadt auf den Kopftuchzwang nicht viel geben, stellt Lyon fest. Baseball-Mützen, Stirnbänder oder eine lose Andeutung von Kopftuch oder gar kein Kopftuch dominierten die Strassen. Dies sei auch ein Ausdruck des grossen Emanzipationsprozesses dieser Frauen nicht nur innerhalb des Landes, sondern auch innerhalb ihrer Familien, so Lyon.

Rendez-vous, 2.10.2025, 12:30 Uhr ; 

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