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Wahlen in Georgien Droht ein Erdrutschsieg der Regierungspartei «Georgischer Traum»?

Am Samstag finden in Georgiens Gemeinden Wahlen statt – zum ersten Mal seit den mutmasslich manipulierten Parlamentswahlen vom vergangenen Jahr. Seit über 300 Tagen wird täglich gegen die Regierung des Landes demonstriert. SRF-Russland-Korrespondent Calum MacKenzie erläutert die wichtigsten Fragen vor den Wahlen.

Calum MacKenzie

Russland-Korrespondent

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Calum MacKenzie ist Russland-Korrespondent von Radio SRF. Er hat in Bern, Zürich und Moskau Osteuropa-Studien studiert.

Wird nur in der Hauptstadt Tiflis protestiert oder ist die Unzufriedenheit im ganzen Land zu spüren?

In den letzten Monaten fanden die Proteste jeweils in Tiflis vor dem Parlamentsgebäude statt. Aber zu Beginn dieser Protestwelle Ende letzten Jahres gab es tatsächlich Demonstrationen in Städten und Dörfern überall im Land, was zeigt, dass die Unzufriedenheit mit der Regierung der Partei «Georgischer Traum» ein breites Phänomen ist. Die Opposition ist in Tiflis zwar stärker, allerdings lebt etwa jeder dritte Mensch Georgiens in Tiflis. Die Regierung hat ihre Wählerschaft eher in ländlichen Regionen, aber auch da ist wenig Begeisterung für den «Georgischen Traum» zu spüren, der schon seit 13 Jahren an der Macht ist.

Wie reagiert die Regierung darauf?

Von der Regierung gibt es kein Entgegenkommen, aber gegen die Proteste gehen die Behörden nicht mehr so hart vor wie noch vor einem Jahr. Mittlerweile scheint die Regierung gelernt zu haben, dass es ihr schadet, wenn die Demos gewaltsam aufgelöst werden – die Demonstrierenden bleiben ja in 99 Prozent der Fälle friedlich.

Gegen die Proteste gehen die Behörden nicht mehr so hart vor wie noch vor einem Jahr.

Man lässt die Proteste also passieren, die Polizei greift meist nicht ein. Demonstrierende werden jedoch oft per Videoüberwachung identifiziert und kriegen sehr hohe Bussen. Die Repression wird auch in anderen Bereichen laufend verschärft: Es werden zum Beispiel Regierungsgegnerinnen und -gegner aus dem Staatsapparat entlassen, Kritiker verprügelt und Oppositionelle verhaftet.

Wie läuft der Wahlkampf in Georgien?

Der Wahlkampf ist etwas bizarr. Weil die Wahlen von den meisten Oppositionsparteien boykottiert werden, ist vor allem der «Georgische Traum» mit Plakaten und Bannern präsent. Die Regierungspartei hat auch viel grössere Ressourcen als die übrigen Parteien.

Im ländlich geprägten Osten würde man teilweise gar nicht merken, dass es andere Parteien gibt.

Im eher ländlich geprägten Osten Georgiens würde man teilweise, wenn man etwa die Plakate an Bushaltestellen sieht, gar nicht merken, dass es andere Parteien gibt. Dabei hatten sich die Oppositionsparteien, die teilnehmen, eigentlich vorgenommen, auf dem Land intensiver Wahlkampf zu machen als beim letzten Urnengang.

Was sind die Erwartungen für die Wahlen am Samstag?

Wegen des Boykotts werden viele Regierungsgegnerinnen und -gegner den Wahlen fernbleiben – und diejenigen Oppositionsparteien, die teilnehmen, werden wohl kaum gross punkten können. Es läuft tatsächlich darauf hinaus, dass der «Georgische Traum» einen Erdrutschsieg einfährt, wohl auch ohne die verbreitete Manipulation, die wir bei den letzten Wahlen gesehen haben.

Es läuft tatsächlich darauf hinaus, dass der «Georgische Traum» einen Erdrutschsieg einfährt.

Aber die Parteien, die boykottieren, rufen am Samstag erneut zum Protest auf. Sie hoffen, dass sie vor dem Hintergrund der Wahlen wieder mehr Leute mobilisieren können und wieder Druck auf die Regierung machen. Am Wochenende dürfte es also zu grossen Protesten kommen. Die Frage ist, wie gross sie werden und was sie bewirken.

Echo der Zeit, 1.10.2025, 18 Uhr ; 

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