Das kommt selten vor: Ein Präsident, der seine Wahlkampfhymne gleich selbst einsingt. George Weah bezichtigt im Song «Talk, talk» seine politischen Gegenspieler als Lügner. Liberias Präsident gibt sich selbstbewusst: Er habe seine Versprechen gehalten.
Doch Weahs Bilanz als Präsident ist, gelinde gesagt, durchzogen. Das sagt der Politologe Ibrahim Nyei in Liberias Hauptstadt Monrovia: «Weah hat Strassen gebaut. Aber bei Bildung und Gesundheitswesen gab es kaum Fortschritte. In diesen Bereichen hat er also zu wenig unternommen.»
Korruption zu wenig bekämpft
Nyei leitet das Ducor Institut, eine liberianische Denkfabrik. Er sagt: Eines der grössten Probleme Liberias sei die Korruption. Diese hat in Weahs Amtszeit gemäss dem Index der Organisation Transparency International noch zugenommen.
Er hat keine Untersuchungen eingeleitet gegen seine Leute. Das Problem wurde einfach unter den Teppich gewischt.
Im August 2022 haben die USA drei hohe Staatsangestellte Liberias mit Sanktionen belegt. Diese traten von ihren Ämtern zurück, doch dann geschah nichts. Für Nyei ist das eines der grössten Versäumnisse Weahs: «Er hat keine Untersuchungen eingeleitet gegen seine Leute. Das Problem wurde einfach unter den Teppich gewischt.»
Grassierende Korruption, schlechte Lebensbedingungen im ehemaligen Bürgerkriegsland, das nagt am Ruf des Präsidenten. Doch die grösste Herausforderung bei dieser Wahl ist, dass viele ehemalige Mitstreiter abgesprungen sind – sie fühlten sich von Weah zu wenig wertgeschätzt.
Vom Armenviertel zum Profifussballer
Aufgewachsen ist der 57-jährige Weah ist in einem Armenviertel. Er hat dank seines Fussballtalents den sozialen und wirtschaftlichen Aufstieg geschafft. Weah spielte als Profi in diversen europäischen Ligen – 1995 wurde er zum FIFA-Weltfussballer gewählt. Nach seiner Fussballkarriere stieg Weah in die Politik ein, 2017 gewann er schliesslich die Präsidentschaftswahl im westafrikanischen Liberia.
Kritiker halten Weah seine mangelnde Schulbildung vor. Doch das kompensiert er mit seinem Talent, zu kommunizieren. Etwa mit Musik, so Politologe Nyei: «Während Covid hat er seine Botschaften mit Musik unter die Bevölkerung gebracht. Und er nutzt die Songs auch, um seine politischen Gegner schlechtzureden.»
Als wichtige Gegenkandidaten Weahs gelten der ehemalige Vizepräsident Josepho Boakai sowie der Unternehmer Alexander Cummings. Diese erhalten gar im Wahlkampfsong als «Mister B and Mister C» eine Erwähnung.
Die Opposition hat zumindest die Chance, Weah in einen zweiten Wahlgang zu zwingen. Politikexperte Nyei hält eine Stichwahl für wahrscheinlich. Und dann? «Für den zweiten Wahlgang werden in Liberia jeweils neue Bündnisse zwischen Parteien und Politikern geschlossen.»
Eine schwer vorhersehbare Situation. Auch wenn George Weah als amtierender Präsident wohl die besten Wahlchancen hat. Und sonst könnte der selbsternannte «Rastaman» sich zumindest stärker der Musik zuwenden.