«Hier hat die Regierung kaltblütig ihr eigenes Volk umgebracht. Die Jungen, um genau zu sein.» Ayodeji Famade steht vor dem Lekki Toll Gate in Lagos. Hier kam es im Oktober 2020 zu einem Massaker .
Damals waren vor allem junge Nigerianerinnen und Nigerianer zu Tausenden gegen die weitverbreitete Polizeigewalt auf die Strasse gegangen – bis die nigerianischen Sicherheitskräfte die Proteste mit Gewalt auflösten und mindestens 12 Personen erschossen. Bis heute wurde niemand dafür zur Verantwortung gezogen.
Peter Obi als Hoffnung
Die sogenannten EndSARS-Proteste haben viele junge Menschen, vor allem in der Millionenstadt Lagos, politisiert. Viele dieser Generation entdeckten zum ersten Mal die Macht des Protests und die Repression des Staates. Auch Ayodeji Famade, der damals die Proteste mitorganisierte. Für ihn ist die Regierungspartei deswegen nicht mehr wählbar.
Er will bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen für Peter Obi stimmen. Obi gehört keiner der beiden Parteien an, die Nigeria seit dem Einzug der Demokratie regieren. «Peter Obi hat wenigstens eine Vision, im Gegensatz zum Kandidaten der Regierungspartei. Dessen Wahlprogramm ist schlicht: Nun bin ich an der Reihe, Präsident zu sein», so der 33-Jährige.
Junge sind besonders betroffen
Ayodeji Famade steigt in sein Auto und fährt durch das Lekki Toll Gate in Richtung Festland. Uber fahren ist nur einer seiner vielen Jobs, mit denen er sich über Wasser zu halten versucht. Die Arbeitslosigkeit in Nigeria ist riesig.
Für Famade ist klar: Die Regierungspartei darf auf keinen Fall an der Macht bleiben. «Die amtierende Regierung hat das Land auf den Kopf gestellt. Alles ist wahnsinnig teuer geworden. Und die Sicherheitssituation – im ganzen Land werden mittlerweile Menschen gekidnappt.»
Unsicherheit und hohe Preise
Der junge Nigerianer zeigt auf die endlos lange Autoschlange vor einer Tankstelle. Seit Wochen gibt es einen Benzinengpass. Und das, obwohl Nigeria Afrikas grösster Erdölexporteur ist. Auch Bargeld ist wegen einer chaotisch durchgeführten Bargeldreform im Moment kaum erhältlich. Die Inflation liegt derzeit bei über 20 Prozent.
Die Regierung hat weite Teile des Landes nicht unter Kontrolle. Terrorgruppen wie Boko Haram oder der IS sorgen für Unsicherheit. Ebenso das weitverbreitete Kidnapping, das unter Präsident Muhammadu Buhari massiv zugenommen hat.
Darum bleibt vielen Nigerianerinnen und Nigerianern nur noch der Weg ins Ausland. Daten weisen darauf hin, dass Nigeria derzeit eine der grössten Auswanderungswellen seiner jüngeren Geschichte erlebt.
Ayodeji Famade will erstmal die Wahl abwarten: «Wenn sich innerhalb eines Jahres die Dinge zum Besseren wenden, dann bleibe ich. Aber wenn nicht … japa!» Japa – davonrennen. Nigeria hinter sich lassen. Japa, diesen Ausdruck auf Yoruba hört man in Nigeria derzeit überall. Und das wird sich nicht ändern, wenn die neue Regierung den jungen Menschen keine Perspektiven schafft.