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Wahlen in Nordrhein-Westfalen Kanzler Merz und der unruhige Schlaf in Berlin

Die Hand des Kanzlers ist gross und weich. Sein Händedruck dennoch fest. Viele werden diese Hand morgen schütteln – und Friedrich Merz gratulieren. Bei den Kommunalwahlen konnte die CDU ihre Wähleranteile halten – in diesen Zeiten schon ein Erfolg. Doch sein Schlaf wird dennoch nicht ruhig sein – wir schauen gleich drauf. Doch zunächst geht der Blick in Richtung SPD.

Für die Koalitionspartnerin nämlich sieht es düster aus. Zwar sind die Verluste nicht so gross wie befürchtet, zwei, drei Prozent nur. Für die SPD ist es dennoch eine mittlere Katastrophe – Nordrhein-Westfalen, das Industrieland, einst die Herzkammer der SPD, wo absolute Mehrheiten für die Genossen keine Seltenheit waren, kehrt der Arbeiterpartei immer mehr den Rücken zu. Da zählen nicht nur Prozente, sondern auch Symbole. In Gelsenkirchen zum Beispiel ist der AfD-Oberbürgermeisterkandidat seiner Konkurrentin von der SPD nah auf den Fersen, es wird wohl zu einer Stichwahl Ende September kommen. Lange war das ausserhalb jeder Vorstellungskraft: Eine SPD-Kandidatin muss gegen die AfD in die Stichwahl.

Die AfD hat ab sofort Anker in West und Ost

Und hier sind wir beim Thema, beim Grund für viele unruhige Nächte auch von Berliner Polit-Personal, allen voran Kanzler Merz. Die Rechtsaussen-Partei AfD ist angekommen im Westen, holt um die 15 Prozent. Dreimal mehr als noch vor fünf Jahren bei der letzten Kommunalwahl. Viele Menschen trauen den bürgerlichen und linken Parteien offenbar nicht mehr zu, die Probleme zu lösen. Und sind bereit, es mit der AfD zu versuchen. Was im Osten Deutschlands schon normal ist, wird es jetzt auch im Westen. Die AfD ist seit Sonntagabend fester Bestandteil der politischen Landschaft in Deutschland, in Ost und West.

«Das kann uns nicht ruhig schlafen lassen», sagt der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, am Abend. Mit «uns» meint er seine ganze Partei – und insbesondere auch Kanzler Merz. Dabei müsste dieser nun ausgeschlafen an die Lösung der vielen Probleme gehen – Migration, Rente, marode Infrastruktur, Sozialversicherungen, insbesondere besseren Schutz des «Bürgergeldes» gegen Missbrauch.

Bleiben die Genossen cool oder werden sie hart und härter?

Bei all diesen Themen braucht Merz die Unterstützung des Koalitionspartners, der SPD. Doch wer angezählt ist, verliert in der Regel die Coolness. Und den Mut für Kompromisse, die Schmerzen auch bei der eigenen Klientel verursachen. Die SPD will, ja muss sich profilieren, um den Abwärtstrend zu stoppen. Keine guten Aussichten für einen anhaltenden Frieden am Kabinettstisch. Eine verhärtete, panische SPD könnte auch Merz gefährlich werden.

Am nächsten Mittwoch wollen sich die Bundestags-Fraktionen von CDU und SPD zu einer grossen Grillparty treffen. Eigentlich als Versöhnungs- und Vertrauensbildungsanlass geplant, wird da wohl auch über Grundsätzliches gesprochen werden. Ja, die Hand des Kanzlers ist gross und weich. Aber ergreifen sie die Genossen auch, erwidern sie den Händedruck? Wenn nicht, dann droht Chaos, Streit, Zerrüttung. Probleme bleiben liegen.

Und die Gewinnerin wird sein: die AfD.

Stefan Reinhart

Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten

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Stefan Reinhart ist Leiter der Ausland-Korrespondentinnen und -Korrespondenten und Chef vom Dienst im Newsroom Zürich. Zuvor war er Deutschland-Korrespondent für SRF.

Hier finden Sie weitere Artikel von Stefan Reinhart und Informationen zu seiner Person.

Tagesschau, 14.09.2025, 19:30 Uhr

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