In einem Park in Braila steht eine Büste. Sie zeigt den Philosophen Nae Ionescu, einen Vordenker der rumänischen Faschisten, der sogenannten Legionäre.
Der 30-jährige Aurelian geht an der Büste vorbei und sagt, er wisse nicht, wer das sei. Gegen die Legionäre und diejenigen, die ein souveränes Rumänien wollten, habe er aber nichts, er sei sogar auf ihrer Seite: «Weil die, die seit 1990 an der Macht waren, nichts getan haben.»
Der junge Mann ist ein Anhänger von Calin Georgescu, der bei den Wahlen im November auf dem ersten Platz gelandet war. Georgescu verehrt Russlands Präsident Putin und bewundert die Legionäre. Trotzdem glaubt Aurelian nicht, dass Georgescu von Russland unterstützt wird. Nun stimmt er für George Simion, der sagt, er kandidiere anstelle von Georgescu.
Es gefalle ihm, dass Simion Initiative zeige und sich von den anderen Politikern unterscheide, sagt Aurelian. Simion wolle Gutes für Rumänien bewirken. Was genau, sei nicht klar. Wichtig sei, dass sich etwas bewege.
Braila – einst blühende Handelsstadt, dann Industriestandort
Im Zentrum von Braila begegnet man teils renovierten, teils baufälligen prächtigen Bürgerhäusern. Die Bibliothek wurde mit EU-Geldern erweitert, Geld aus Brüssel floss auch in die Fussgängerzone, die wie ausgestorben wirkt, viele Läden stehen leer.
Cristian Silviu Boala ist Chefredaktor einer lokalen Internetzeitung und sagt: «Die Industrie in Braila ist klinisch tot.» Der Niedergang habe mit der Wende 1989 eingesetzt.
Wo früher Fabriken gewesen seien, stünden heute Einkaufszentren und Wohnungen. Braila lebe heute vor allem von diesen Shopping-Malls, während im Zentrum die Hälfte aller Läden leer stehe. Das bewege die Leute: «Man will die Arbeitsplätze und die Industrieproduktion zurück.»
Georgescu und Simion versprechen genau das, dass sie Rumänien wieder gross und stolz machen, dass sie die Industrie zurückholen und die Menschen nicht mehr in ausländischen, sondern in rumänischen Betrieben arbeiten werden. Und so erhielten rechtsextreme Parteien bei den Parlamentswahlen im November in Braila plötzlich viele Stimmen – ebenso der Kandidat Georgescu.
Es war eine Welle, die Braila und das ganze Land erfasste, befeuert von den Sozialen Medien. Das macht die Hotelbesitzerin Zamfira Stanescu fassungslos. Die 66-Jährige sagt, sie sei entsetzt darüber, wie sich Unwissenheit und Ignoranz gegenüber der Geschichte des Landes sowie der geografischen Lage breit mache. Wenn die Ukraine von Russland besetzt würde, stünden die Russen an den Grenzen. Anstatt das zu begreifen, beklagten sich die Leute über die Unterstützung der ukrainischen Flüchtlinge.
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Bild 1 von 2. Zamfira Stanescu ist fassungslos über den Zuspruch, den rechtsextreme Parteien bei den Parlamentswahlen im November erhalten haben. Bildquelle: SRF/Judith Huber.
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Bild 2 von 2. Die 66-jährige Hotelbesitzerin ergründet diese Welle durch eine unkritische Nutzung Sozialer Medien. Bildquelle: SRF/Judith Huber.
«Alte Freunde waren plötzlich von Georgescu begeistert und lobten auch Putin als starken Führer. Ich sagte ihnen ‹Georgescu ist ein Verrückter!›» Sogar ihr Sohn war von Georgescu begeistert. Sie sagte ihm, er müsse das, was er auf Tiktok sehe, kritisch hinterfragen: Wenn sich jemand in einem traditionellen Hemd auf einem Schimmel ablichten lasse, wie das Georgescu getan habe, dann dürfe man ihn nicht gleich für einen Patrioten halten.
Den Kandidaten Simion hält Stanescu für einen Populisten, der die Menschen mit schönen Lügen verführe. Sie lasse sich nicht von ihm nicht täuschen, er sei ein ungebildeter Hooligan. Wenn Simion zum Präsidenten gewählt werde, dann wandere sie aus.