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Wahlen in Rumänien «Wenn Simion gewinnt, wandere ich aus!»

Schon zweimal hat ein Präsidentschaftskandidat vom rechten Rand am meisten Stimmen geholt, bei den Wahlen im November und im Mai – jeweils im ersten Wahlgang. Was steckt dahinter? Eine Reportage aus einer Kleinstadt.

In einem Park in Braila steht eine Büste. Sie zeigt den Philosophen Nae Ionescu, einen Vordenker der rumänischen Faschisten, der sogenannten Legionäre.

Büste in einem parkähnlichen städtischen Bereich mit georgischem Gebäude im Hintergrund.
Legende: Nae Ionescu war ein rumänischer Philosoph und Vordenker der Legionärsbewegung. SRF/Judith Huber

Der 30-jährige Aurelian geht an der Büste vorbei und sagt, er wisse nicht, wer das sei. Gegen die Legionäre und diejenigen, die ein souveränes Rumänien wollten, habe er aber nichts, er sei sogar auf ihrer Seite: «Weil die, die seit 1990 an der Macht waren, nichts getan haben.»

Der junge Mann ist ein Anhänger von Calin Georgescu, der bei den Wahlen im November auf dem ersten Platz gelandet war. Georgescu verehrt Russlands Präsident Putin und bewundert die Legionäre. Trotzdem glaubt Aurelian nicht, dass Georgescu von Russland unterstützt wird. Nun stimmt er für George Simion, der sagt, er kandidiere anstelle von Georgescu.

Zwei Männer in Anzügen geben ihre Stimme in einem Wahllokal ab.
Legende: Calin Georgescu (links) und George Simion (rechts) in einem Wahllokal während der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Rumänien (4.5.2025). Bei der aktuellen Stichwahl dieses Wochenende tritt Simion gegen den parteilosen Nicusor Dan an. REUTERS/Louisa Gouliamaki

Es gefalle ihm, dass Simion Initiative zeige und sich von den anderen Politikern unterscheide, sagt Aurelian. Simion wolle Gutes für Rumänien bewirken. Was genau, sei nicht klar. Wichtig sei, dass sich etwas bewege.

Braila – einst blühende Handelsstadt, dann Industriestandort

Im Zentrum von Braila begegnet man teils renovierten, teils baufälligen prächtigen Bürgerhäusern. Die Bibliothek wurde mit EU-Geldern erweitert, Geld aus Brüssel floss auch in die Fussgängerzone, die wie ausgestorben wirkt, viele Läden stehen leer.

Cristian Silviu Boala ist Chefredaktor einer lokalen Internetzeitung und sagt: «Die Industrie in Braila ist klinisch tot.» Der Niedergang habe mit der Wende 1989 eingesetzt.

Mann sitzt vor einem Geschäft mit dem Schild 'Magazin Mixt'.
Legende: Cristian Silviu Boala sagt, die Leute wollten die Arbeitsplätze und die Industrieproduktion zurück. SRF/Judith Huber

Wo früher Fabriken gewesen seien, stünden heute Einkaufszentren und Wohnungen. Braila lebe heute vor allem von diesen Shopping-Malls, während im Zentrum die Hälfte aller Läden leer stehe. Das bewege die Leute: «Man will die Arbeitsplätze und die Industrieproduktion zurück.»

Historisches Gebäude an einer Strassenecke mit Bäumen.
Legende: Prächtige Bürgerhäuser schmücken die Innenstadt von Braila. Viele davon sind jedoch baufällig. SRF/Judith Huber

Georgescu und Simion versprechen genau das, dass sie Rumänien wieder gross und stolz machen, dass sie die Industrie zurückholen und die Menschen nicht mehr in ausländischen, sondern in rumänischen Betrieben arbeiten werden. Und so erhielten rechtsextreme Parteien bei den Parlamentswahlen im November in Braila plötzlich viele Stimmen – ebenso der Kandidat Georgescu.

Es war eine Welle, die Braila und das ganze Land erfasste, befeuert von den Sozialen Medien. Das macht die Hotelbesitzerin Zamfira Stanescu fassungslos. Die 66-Jährige sagt, sie sei entsetzt darüber, wie sich Unwissenheit und Ignoranz gegenüber der Geschichte des Landes sowie der geografischen Lage breit mache. Wenn die Ukraine von Russland besetzt würde, stünden die Russen an den Grenzen. Anstatt das zu begreifen, beklagten sich die Leute über die Unterstützung der ukrainischen Flüchtlinge.

«Alte Freunde waren plötzlich von Georgescu begeistert und lobten auch Putin als starken Führer. Ich sagte ihnen ‹Georgescu ist ein Verrückter!›» Sogar ihr Sohn war von Georgescu begeistert. Sie sagte ihm, er müsse das, was er auf Tiktok sehe, kritisch hinterfragen: Wenn sich jemand in einem traditionellen Hemd auf einem Schimmel ablichten lasse, wie das Georgescu getan habe, dann dürfe man ihn nicht gleich für einen Patrioten halten.

Schmaler Steg führt zu einem Gebäude auf dem Wasser, umgeben von Bäumen.
Legende: Die Hafenstadt Braila liegt direkt an der Donau. SRF/Judith Huber

Den Kandidaten Simion hält Stanescu für einen Populisten, der die Menschen mit schönen Lügen verführe. Sie lasse sich nicht von ihm nicht täuschen, er sei ein ungebildeter Hooligan. Wenn Simion zum Präsidenten gewählt werde, dann wandere sie aus.

Echo der Zeit, 13.5.2025, 18 Uhr;liea

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