Hosenträger sind sein Markenzeichen: AfD-Politiker Jörg Prophet will Oberbürgermeister von Nordhausen werden. Das schaffte bisher noch keiner, der für die Alternative für Deutschland antrat. Die Rechtsaussen-Partei würde das feiern als symbolträchtigen Erfolg, als Durchbruch.
Schon jetzt überflügelt die Partei in Umfragen CDU, SPD oder FDP. In einigen Bundesländern liegt sie bei über 30 Umfrage-Prozenten – eine Partei, die vom thüringischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und beobachtet wird. Auch in Berlin schaut man gespannt auf Nordhausen, auf die Wahlen am 24. September. Die Chancen für Prophet stehen gut, im ersten Wahlgang holte er 42 Prozent der Stimmen.
Verstörende Aussagen
Prophet ist an diesem Spätsommertag bester Laune, seine gebleichten Zähne leuchten in der Morgensonne. Er steht neben seinem schwarzen Mercedes, gibt sich volksnah, bürgerlich, moderat und spricht über die neuen WCs beim Bahnhof, über Arbeitslose und Zukurzgekommene.
TV-Interviews lehnt er ab – abseits der Kamera gibt es sich gesprächig und jovial. Das ist die eine Seite. Prophet kann aber auch anders. Wenn es um den 8. Mai 1945 geht, spricht er lieber von Kapitulation als von Befreiung. Auch sonst distanziert er sich nicht vom Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, der von einem «Schuldkult» spricht, der in Deutschland herrsche, und eine «180-Grad-Wende» bei der Erinnerungskultur fordert.
Prophet verharmlost den Nationalsozialismus. Das ist unsäglich.
Höcke muss bald vor Gericht, weil er Nazi-Vokabular benutzt habe. «Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland», soll Höcke im Mai 2021 gerufen haben. Der Ausdruck «Alles für Deutschland» ist verboten – weil ihn schon die SA, Hitlers Schlägertruppe, benutzt hat. Prophet, der Unternehmer, sieht dennoch keinen Grund, sich von Höcke zu distanzieren.
Schockwellen bis Berlin
Schockwellen gehen aus von Nordhausen und Kandidat Prophet. Schockwellen, die auch Jens-Christian Wagner auf den Plan rufen, den Direktor der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora – die auf dem Stadtgebiet von Nordhausen liegt.
Im KZ Mittelbau-Dora ermordeten die Nazis 20'000 Menschen, Zehntausende wurden gequält und erniedrigt, zu härtester Arbeit gezwungen. Wagner ist mitverantwortlich für die Erinnerungskultur, für das Andenken an die Opfer der Nazi-Gräuel, für das Bewusstsein der Menschen dafür, was zwischen 1933 und 1945 geschah. Er hält Prophet und seine Politik für gefährlich: «Er spricht zum Beispiel vom sogenannten Schuldkult. Das ist rechtsextremer Geschichtsrevisionismus pur. Er unterstellt den Amerikanern, die Mittelbau-Dora befreit haben, die Häftlinge hier befreit haben, moralische Skrupellosigkeit, die sich nicht von jener der SS unterscheide. Er verharmlost damit den Nationalsozialismus. Das ist unsäglich.»
Bisher war die Zusammenarbeit von Gedenkstätte und Nordhausen hervorragend, man organisierte gemeinsam Veranstaltungen, Gedenktage, Kurse für Schülerinnen und Schüler. Wie soll das gehen mit einem AfD-Oberbürgermeister? Wagner sagt: «Gar nicht». Solange sich Prophet nicht distanziere – auch von Höcke – sei eine Zusammenarbeit ausgeschlossen. Einer, der Auschwitz mit Hiroshima gleichsetze, könne nicht für die Erinnerungskultur der Gedenkstätte stehen.
Die Schockwellen gehen weit über Nordhausen hinaus. Ein Berliner Jude, so erzählt Wagner, habe ihm kürzlich einen Brief geschrieben. Ein AfD-Bürgermeister Prophet, steht darin, wäre für den Mann der grösste Schock seit 1945.