Im Vorfeld der Wahl zum Stadtparlament gab es heftige Kritik an der japanischen Regierungspartei LDP (Liberaldemokratische Partei). Grund sind das Festhalten an den Olympischen Spielen, der Umgang mit der Coronakrise und Bestechungsskandale.
Die Partei von Premierminister Yoshihide Suga hat die Wahl in Tokio nun zwar gewonnen, allerdings hat sie die erhoffte Mehrheit gemeinsam mit Koalitionspartner Komeito im Parlament verpasst.
Die regierende LDP hat sich um ein Drittel auf 33 Sitze gesteigert, die bisher stärkste Partei Tomin, die Partei der Bürger Tokios, ist von 46 auf 31 Sitze geschrumpft. Ein klarer Wahlsieg für die LDP? Nein, denn der Zuwachs für die LDP sei deutlich kleiner ausgefallen als erwartet, sagt Martin Fritz, freier Korrespondent in Japans Hauptstadt Tokio.
Ihr fast genauso grosser Koalitionspartner Komeito konnte sich gar nicht verbessern. Das Ergebnis für die Partei von Premierminister Yoshihide Suga werde daher sogar eher negativ bewertet und entsprechend kommentiert.
Entscheidend für das schlechte Abschneiden der LDP war laut Presse die Unzufriedenheit in Japan mit der Antivirus-Politik der Regierung: Schleppender Impfstart, wobei inzwischen schneller geimpft wird, und wieder steigende Infektionszahlen in Tokio durch die Verbreitung der Delta-Variante.
Viele Japaner sehen die Austragung der Spiele als möglichen Auslöser für einen neuen Pandemieschub.
Dazu kommt der Aspekt der kommenden Olympischen Spiele. Sie sollen am 23. Juli in Tokio eröffnet werden. «Viele Japaner sehen die Austragung der Spiele als möglichen Auslöser für einen neuen Pandemieschub. Die Austragung lässt sich nicht mehr stoppen, aber wenigstens sollen keine Zuschauer in den Stadien sitzen», sagt Martin Fritz.
Genau diese Forderung hat die bisher stärkste Partei Tomin von Stadtgouverneurin Yuriko Koike aufgestellt. Das habe wohl den Ausschlag gegeben, dass die Gewinne der Regierungspartei LDP begrenzt blieben.
«Diese Gouverneurin ist ein politisches Naturtalent, die ein unglaubliches Gespür für die öffentliche Meinung hat und sehr geschickt darin ist, politisches Kapital aus einer Stimmung zu schlagen», erläutert Martin Fritz.
Inzwischen sei sie mit ihren 68 Jahren ein bisschen müde geworden. Vergangene Woche habe sie für einige Tage wegen Erschöpfung ins Krankenhaus gehen müssen. Offiziell sei sie sowieso nur noch Beraterin der Bewegung Tomin.
Am Freitag sei sie aus dem Krankenhaus entlassen worden und habe gleich eine Pressekonferenz gegeben. Dabei machte sie eine Andeutung: «Dass sie gegen die Teilnahme von Zuschauern an Olympia ist», so Fritz.
Dieser Einsatz in letzter Minute hat sicherlich zum Erfolg von Tomin beigetragen.
Sie sei anschliessend in zehn, zwölf Wahlbezirke gefahren, die zwischen Tomin und LDP besonders hart umkämpft waren, um dort Wahlkampf für ihre Bewegung zu machen. «Dieser Einsatz in letzter Minute hat sicherlich zum Erfolg von Tomin beigetragen.»