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Wahlen in Weissrussland Absage an demokratische Illusionen

Das vorläufige Resultat der gestrigen Parlamentswahlen in Weissrussland zeigt ein klares Bild: Kein einziger der 110 Sitze im weissrussischen Parlament wird in Zukunft von der Opposition besetzt sein. Dies, nachdem die beiden einzigen Abgeordneten der Opposition aus fadenscheinigen Gründen nicht zur Wiederwahl antreten durften.

Dies ist ein bedenkenswerter, wenn auch absehbarer Rückschritt für die weitere Entwicklung in Weissrussland. Das Ziel dahinter ist leicht durchschaubar: Jede kritische Stimme mit guten Chancen ins Parlament gewählt zu werden, sollte wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen zum Schweigen gebracht werden. In Weissrussland mag es mehrere Millionen Wahlberechtigte geben, doch seit 25 Jahren kommt es nur auf die Stimme eines Mannes an: Alexander Lukaschenko, den autokratischen Machthaber des Landes.

Zerschlagene Hoffnungen

Viele europäische Staaten, darunter auch die Schweiz, hatten scheinbar bis zuletzt gehofft, dass sich Weissrussland nach zwei verlorenen Jahrzehnten doch noch in Richtung Europa orientieren würde. Nachdem 2016 bei den Parlamentswahlen erstmals seit 1996 Kandidaten der Opposition ins Parlament gewählt wurden, sah man von Wien bis Washington die Zeit reif für eine Annäherung mit Minsk.

So eröffnete die Schweiz in diesem Jahr offiziell eine Botschaft in Weissrussland und Washington nahm zum ersten Mal seit 2008 wieder diplomatische Beziehungen mit dem Land auf. Der Moment für eine Annäherung schien günstig, da Lukaschenko von seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in den vergangenen Monaten laufend stärker unter Druck gesetzt wurde. Wohl nicht zu Unrecht fürchtet Lukaschenko um die eigene Macht im Land, sollte die Abhängigkeit zu Russland noch grösser werden.

Kein Platz für Demokratie

Doch darin liegt gleichzeitig der Kern des Problems: Alle Schritte, die der weissrussische Präsident scheinbar in Richtung Europa unternimmt, macht er aus Angst um die eigene Macht im Land und nicht aus Sorge um die Unabhängigkeit des Landes. Demokratische Konkurrenz innerhalb des Landes würde seinen absoluten Machtanspruch bedrohen und so ist es illusorisch zu denken, es werde unter Lukaschenko auch nur ansatzweise demokratische Reformen geben.

Bezeichnend für sein Demokratieverständnis hat Lukaschenko gestern Sonntag nach Stimmabgabe seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr angekündigt. Sollte jemandem nicht gefallen haben, wie die Parlamentswahlen abgelaufen seien, so könne man seinen Unmut über den Präsidenten im nächsten Jahr kundtun. Die Bedeutungslosigkeit der Parlamentswahlen hat Lukaschenko damit selbst bestätigt.

Ohne Zweifel wird der 65-Jährige wissen, wie er ernstzunehmende Konkurrenten von den Präsidentschaftswahlen fernhalten kann. Seine fünfte Amtszeit bis 2025 kann man damit schon fast als gesichert betrachten.

Luzia Tschirky

Russland-Korrespondentin

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Luzia Tschirky ist SRF-Korrespondentin für die Region Russland und die ehemalige UdSSR.

Sendebezug: SRF 4 News 17.11.19, 10.30 Uhr.

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