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Wahlkampf in den USA «Er kann kaum mehr etwas gutmachen»

Nach dem viel kritisierten Kurs von US-Präsident Donald Trump in der Corona-Pandemie sorgt dieser erneut für Empörung. Diesmal geht es um den Einsatz von Bundestruppen in Portland. Noch einmal versuche Donald Trump, seine weisse, ältere Klientel aufzuputschen, erklärt der USA-Experte Stephan Bierling.

Stephan Bierling

USA-Experte

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Bierling lehrt seit 2000 als Professor für Internationale Politik an der Universität Regensburg und leitet die Professur für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen. Er ist als Analyst der US-Innen-, Wirtschafts- und Aussenpolitik für diverse Medien tätig.

SRF News: Donald Trump schickt Streitkräfte nach Portland – gegen den ausdrücklichen Willen von Stadt und Bundesstaat. Warum?

Stephan Bierling: Es ist eine rein politische Geschichte. Trump hat in der Corona-Pandemie völlig versagt. Seine Zustimmungsraten brechen für seine Verhältnisse dramatisch ein und er hätte – wenn heute Wahlen wären – keine Chance, nochmals Präsident zu werden. Nun versucht er, neue Feindbilder zu schaffen, indem er «Law and Order» predigt – für seine ureigene Klientel: Weisse, ältere Bürger, die Angst haben vor Unruhen und Veränderungen und den von Trump pauschal als Chaoten bezeichneten Demonstranten.

Nun versucht Trump, neue Feindbilder zu schaffen, indem er «Law and Order» predigt.
Autor: Stephan Bierling

Welche Truppen wurden nach Portland abkommandiert?

Das sind nicht unbedingt militärische, sondern paramilitärische Truppen. Sie sind schwer bewaffnet und tragen Tarnanzüge. Sie sollen zeigen, dass es der Präsident versteht, Recht und Ordnung durchzusetzen. Portland ist ein leichtes Ziel für Trump. Es ist die Bastion der Gegenkultur in den USA. Die Hippie-Bewegung ist sehr stark in einer der grünsten Städte der Welt. 80 bis 90 Prozent dort haben Obama zweimal gewählt. Es gibt dort aber auch eine kleine Gruppe gewaltbereiter Chaoten an den seit 54 Tagen anhaltenden Black-Lives-Matter-Protesten.

In Portland stellte sich am Montag auch eine Mauer aus Müttern (Wall of Moms) schützend vor die Demonstrierenden. Sie wollen verhindern, dass ihre Söhne von den mit massiver Gewalt operierenden Spezialeinheiten des Bundes verletzt werden.
Legende: In Portland stellte sich am Montag auch eine Mauer aus Müttern (Wall of Moms) schützend vor die Demonstrierenden. Sie wollen verhindern, dass ihre Söhne und Töchter von den Spezialeinheiten des Bundes verletzt werden. Keystone

Auf welcher rechtlichen Grundlage handelt der Präsident?

Der Präsident kann Bundestruppen einsetzen, wenn in Einzelstaaten oder in Städten Bundeseigentum wie Gebäude und Monumente beschädigt werden und bedroht sind. Trump nutzt wie immer die breiteste Verfassungsinterpretation, um seine politischen Ziele durchzusetzen.

Letztendlich werden Bundesgerichte über das Vorgehen entscheiden. Klagen haben die Verantwortlichen der Stadt bereits angekündigt. Das kann bis zum Supreme Court gehen und lange dauern. Trump geht es nur um den kurzfristigen politischen Gewinn, sich als Gegner des Mobs darzustellen.

Trump geht es nur um den kurzfristigen politischen Gewinn, sich als Gegner des Mobs darzustellen.
Autor: Stephan Bierling

Kann sich Trump nicht auch selber schaden, wenn er sich über die lokalen Stadtbehörden hinwegsetzt?

Das ist in der Tat problematisch. Es gibt noch ganz wenige Republikaner, die so etwas wie eine kritische Distanz zu Trump haben. Diese wird er eher erschrecken. Aber das ist für ihn sekundär.

Nun empfiehlt Trump, eine Maske zu tragen, wenn der Abstand nicht eingehalten werden kann. Wie erklären Sie sich diese Kehrtwende?

Bisher hat Trump auf Macho-Politik gesetzt und die Botschaft ausgesendet, dass ein echter Amerikaner keine Maske trägt. Nun ändert er die Strategie, nachdem sich nach den demokratisch besiedelten Küstenstädten das Coronavirus dramatisch in den Staaten mit Trumps grösstem Wählerpotenzial ausbreitet: Texas, Florida und Arizona. Republikanisch gewählte Politiker werfen ihm vor, alle Chancen zu vergeben, wenn er nicht zu einer einigermassen rationalen Politik finde. Er machte nun kleinste Schritte in diese Richtung.

Wird Trump das Ruder noch herumreissen können?

Ich glaube das nicht. Man kann schon fast sagen, dass die Pandemie der Grabstein um seinen Hals ist. Er kann kaum mehr etwas gutmachen. Gestartet war er ins Wahljahr bereits mit dem überstandenen Impeachment. Wenn er die Pandemie als Landesvater bewältigt hätte, hätte er wohl Chancen auf eine Wiederwahl gehabt.

Als Landesvater in der Pandemie hätte er wohl Chancen auf eine Wiederwahl gehabt.
Autor: Stephan Bierling

Das Gespräch führte Roger Aebli.

SRF 4 News, 22.072020, 08:15 Uhr ; 

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