Die Szenen auf den Strassen von Burkina Faso im Oktober 2014 waren beeindruckend. Zehntausende, vor allem junge Menschen, forderten den Rücktritt von Blaise Compaoré nach fast drei Jahrzehnten an der Macht. Auch Marcel Tankoan war damals auf der Strasse. Seine Bewegung «M21» hatte die Proteste mitorganisiert. Zu gerne erinnert er sich heute an jene Tage: «Es war der Wahnsinn, die Burkinabe haben der Welt gezeigt, dass wir die Demokratie und den Wandel durchsetzen können.»
Terroristen und Tote
Die Burkinabe erhofften sich viel vom Sturz des Diktators – vor allem bessere Lebensbedingungen. Rund 40 Prozent der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Doch von der Euphorie, der Hoffnung und den Erwartungen von damals sei gar nichts mehr übrig, so Demokratieaktivist Marcel Tankoano. Im Gegenteil: «Dem Land geht es miserabel, weil die Regierung keine Lösung für die aktuellen Probleme findet. Die Menschen haben Angst.» Und das zu Recht.
Seit nach dem Sturz des Langzeitherrschers Compaoré der amtierende Roch Marc Christian Kaboré zum Präsidenten gewählt wurde, wird Burkina Faso vom Terror heimgesucht. Jihadisten und Banditen sorgen dafür, dass Teile des kleinen Sahellandes nicht mehr zugänglich sind. Mindestens 1600 Personen wurden von den Terroristen getötet, mehr als 350'000 Kinder können nicht mehr zur Schule gehen.
Inaktive Regierung
Während Jahren galt Burkina Faso als das stabilste Land der Region. Dass sich die Sicherheitslage innert fünf Jahren derart verschlechtert hat, ist für Terrorismusexperte Mahamoudou Savadogo, ganz klar dem Scheitern der aktuellen Regierung zuzuschreiben: «Die Regierung hat zu wenig und zu wenig schnell reagiert. Was man ihr aber besonders vorwerfen muss, ist, dass sich in den fünf Jahren unter Kaboré nichts geändert hat.» Die Regierung habe bis heute keine Strategie, wie die Terroristen zu bekämpfen seien. Das habe unter anderem damit zu tun, dass die Städte bisher kaum vom Terror betroffen waren.
Für die Macht-Elite im Land und vor allem auch die Stadtbevölkerung sei das entscheidend. Das ändere sich aber gerade, so der Terrorismusexperte aus Ouagadougou: «Der Druck der Landbevölkerung auf die städtische nimmt enorm zu. Die Flüchtlinge sind mittlerweile in den Städten.» Und das sind viele: Mehr als eine Million Menschen mussten in den letzten fünf Jahren in Burkina Faso fliehen. Das sind fünf Prozent der Bevölkerung. Ein Grossteil von ihnen wird am Sonntag nicht wählen können.
Viele Kandidaten
Dreizehn Männer wollen Präsident von Burkina Faso werden. Darunter auch der amtierende Roch Marc Christian Kaboré. Ein zweiter Wahlgang ist somit wahrscheinlich. Für Demokratieaktivist Marcel Tankoano aber ist klar: Das wichtigste ist, dass der amtierende Präsident nicht mehr gewählt wird. «Wir müssen eine andere Regierung ausprobieren. Denn so kann es definitiv nicht weitergehen.» Der Blutzoll der letzten fünf Jahre sei schlicht zu hoch.