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Russische Offensive geht im Osten und Süden der Ukraine weiter
Aus Tagesschau vom 03.05.2022.
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Wie der Krieg enden könnte Nach dem Konflikt: Kein Krieg mehr – aber auch kein Frieden?

Der Krieg in der Ukraine ist noch in Gang. Dessen ungeachtet hoffen viele Beteiligte und Beobachter auf ein Ende des Konflikts. Dies wirft die Frage auf, wie der Krieg enden kann bzw. enden wird. Im Licht der Historie hat eine Expertin Szenarien entworfen.

Ursula Schröder

Ursula Schröder

Professorin für Politikwissenschaft

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Prof. Dr. Ursula Schröder ist seit 2017 Wissenschaftliche Direktorin des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Sie forscht unter anderem zur Entstehung europäischer Sicherheitsordnungen, zur internationalen Friedensförderung und zum Zusammenhang zwischen Klimawandel und Unsicherheit (Bild: IFSH).

SRF News: Kann man Kriege vergleichen? Wiederholen sich Verläufe und Schemata überhaupt?

Ursula Schröder: Es gibt sozialwissenschaftliche Studien, die die Beendigung von Kriegen, ihre Dauer und ihre Verläufe vergleichen. Sie zeigen, indem sie eine grosse Anzahl von Kriegen untersuchen, dass zwischenstaatliche Kriege häufig weniger lang andauern als Bürgerkriege. Ferner belegen sie, dass nach Waffenstillständen und Friedensschlüssen erneut Kriege aufflammen können.

Eine Herausforderung ist aber, dass die Kriege der letzten Jahrzehnte meistens Bürgerkriege waren. Seit dem Ende des Kalten Kriegs gibt es nur noch sehr wenige zwischenstaatliche Kriege. Entsprechend fehlen aktuelle Daten zu Aussagen über die Verläufe dieser Kriege.

Also bieten sich keine anderen Kriege für einen Vergleich mit dem Ukraine-Konflikt an.

Den Ukraine-Krieg mit einem konkreten historischen Beispiel zu vergleichen, erachte ich als schwierig. Wir leben heute in einer völlig anderen Situation, als in der, in der sich frühere zwischenstaatliche Kriege entfaltet haben.

Den Kalten Krieg kann man mit dem heissen Krieg in der Ukraine allenfalls mit Blick auf den Verlauf der Eskalation vergleichen. In dem Sinn, als sich auch da Eskalationsspiralen entwickelt haben. Beispielsweise in der Berlin-Krise ab 1958 und der Kuba-Krise 1962 standen kriegerische Eskalationen zumindest kurz bevor. Allerdings haben damalige westliche Politiker und Vertreter der Sowjetunion diese Eskalation einhegen können, das ist in der Ukraine nicht gelungen.

Nur ungefähr ein Fünftel der zwischenstaatlichen Kriege endet mit dem klaren militärischen Sieg einer der Kriegsparteien.

Die Grenzen der Vergleichbarkeit in Rechnung gestellt: Wie enden Kriege denn?

Wir wissen, dass nur ungefähr ein Fünftel der zwischenstaatlichen Kriege mit dem klaren militärischen Sieg einer der Kriegsparteien endet. Heisst: Ein Grossteil dieser Kriege endet nicht mit einem klaren Sieg oder aber der Gewaltkonflikt endet gar nicht. Im besseren Fall stellt sich dann bei einem militärischen Patt durch häufig langwierige Verhandlung ein Waffenstillstand und später Friedensschluss ein. Im schlechteren Fall transformiert sich der Krieg langsam in einen Konflikt niedrigerer Intensität, der noch Jahre oder Jahrzehnte anhalten kann.

Mit Blick auf die Ukraine ist ein verhandelter Friede – also einer, der für beide Seiten eine tragfähige Lösung böte – aktuell noch nicht realistisch. Der Krieg in der Ukraine könnte in ein ‘Kein Krieg-Kein Frieden’-Szenario münden, in dem wiederkehrende Gewalthandlungen abgelöst werden von brüchigen Waffenstillständen.

Aufarbeitung – zu welchem Zweck?

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Es gibt jetzt schon mehrere internationale Organisationen, die begonnen haben, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Ukraine-Krieg aufzuarbeiten: ein Team des internationalen Strafgerichtshof, das entsprechende Beweise sammelt, eine Kommission des UNO-Menschenrechtsrat und eine Delegation der OSZE. Laut Ursula Schröder verfolgen die Organisationen damit zwei Zwecke: «Durch diese Arbeit soll das erfahrene Leid der Bevölkerung später strafrechtlich verfolgt werden können. Und es sollen internationale Normen wie die Souveränität von Staaten oder die Menschenrechte geschützt werden. Damit nicht in Zukunft andere Staaten dem Beispiel Russlands folgen.»

Wie kommt es zum Übergang – zum Anfang von diesem Ende?

Wenn die Kriegsparteien keinen Weg mehr sehen, um den Krieg für sich zu gewinnen oder wenn ein unüberwindbar scheinendes militärisches Patt eingetreten ist, können die Kriegsparteien zur Einsicht gelangen, dass Friedensverhandlungen ein sinnvoller Weg sind, um ihre Interessen durchzusetzen. Oder eine der Parteien ist militärisch erschöpft und hält schlicht nicht mehr durch. Oder aber eine der Kriegsparteien erwartet eine schlimme Eskalation des Kriegs und hält dann ein Aufgeben für den richtigen Schritt.

Zu frühe Verhandlungen (...) wären für das Ziel der Ukraine Ziel schlecht gewesen.

Kann man den Prozess beschleunigen? Ist das überhaupt sinnvoll?

Die Ukraine verteidigt sich gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg einer Grossmacht. Ihr Ziel ist es, den Krieg so lange durchzuhalten, bis sie überhaupt Friedensverhandlungen führen kann, die mit einem für sie tragbaren Ergebnis enden können, etwa mit wenig territorialen Verlusten. Zu frühe Verhandlungen in einer Situation militärischer Unterlegenheit wären für dieses Ziel schlecht gewesen.

Wenn Sie – das noch nicht eingelöste Ende noch aussen vor gelassen – in je einem Satz die historische Bedeutung des Ukraine-Krieges vorwegnehmen müssten: Was ist, Stand jetzt, passiert? Was hat der Krieg, Stand jetzt, verändert?

Der Krieg in der Ukraine hat die europäische Friedensordnung der Zeit nach dem Ende des Kalten Kriegs zerstört. Und er stellt die internationale Ordnung vor eine Zerreissprobe, bei der unklar ist, ob sie sich davon wird erholen können.

Das Gespräch führte Christine Spiess.

Tagesschau, 03.05.2022, 12.45 Uhr;

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