Der von den katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern ausgerufene Generalstreik führte am Mittwoch zwar zu einer Beeinträchtigung des öffentlichen Lebens, vor allem wegen blockierter Strassen. Doch an der Schlusskundgebung in Barcelona nahmen nur rund 25'000 Menschen teil. Das sind wesentlich weniger als bei anderen Protestaufmärschen in den vergangenen Wochen.
Wieso sind viele Katalanen dem Aufruf zum Generalstreik am Mittwoch nur schwach gefolgt? «Am 3. Oktober hatte es ein gemeinsames Motiv für den Protest gegeben – die Polizeigewalt während der Unabhängigkeitsabstimmung zwei Tage zuvor», sagt die Journalistin Julia Macher in Barcelona. Damals seien die Menschen sehr aufgewühlt gewesen, was sie zu einer Massendemonstration angetrieben habe. Diesmal galt der Protest dem scharfen juristischen Vorgehen Madrids gegen die ehemaligen katalanischen Regierungsmitglieder. «Das empört zwar viele, gleichzeitig macht sich aber auch Enttäuschung über die Politiker der Unabhängigkeitsbewegung breit.»
Warum ist die Unterstützung für die katalanische Unabhängigkeitsbewegung offensichtlich abgeflaut? Viele Unabhängigkeitsbefürworter sind mit dem Vorgehen der Separatistenführer nicht einverstanden: «Sie glauben nicht, dass die Brüssel-Reise Puigdemonts und der Versuch der Internationalisierung des Konflikts eine gute Strategie war», stellt Macher fest. Dies zeige vielmehr, dass für den Fall einer tatsächlichen Loslösung von Spanien keine Vorbereitungen getroffen worden waren – auch wenn die Separatisten schon seit Jahren von «alternativen Staatsstrukturen» gesprochen hätten.
Weshalb konnten sich die Separatisten für die Wahlen im Dezember nicht auf ein Bündnis einigen? Die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien war schon immer sehr heterogen, sie setzt sich aus mehreren Parteien aus unterschiedlichen politischen Lagern zusammen. Uneinigkeit herrsche vor allem über die Geschwindigkeit, mit der man auf eine Unabhängigkeit hinarbeiten solle – und ob diese überhaupt das wirkliche Ziel sei, so Macher. Manche möchten eine drohende Abspaltung auch bloss als Druckmittel benutzen, um Zugeständnisse aus Madrid zu erhalten. «Diese Uneinigkeit zeigt sich darin, dass es den Separatisten bislang nicht gelungen ist, eine Einheitsliste aufzustellen.» Zudem gebe es derzeit keine Vision, wie es weitergehen soll. «Mit dem Unabhängigkeitsreferendum und der folgenlosen Ausrufung der Republik hat man alles Pulver verschossen», stellt Macher fest. Hinzu kämen die Eigeninteressen der einzelnen Parteien, welche bessere Erfolgschancen sähen, wenn sie alleine ins Rennen steigen.
Was kann den Wahlausgang am 21. Dezember jetzt noch beeinflussen? Die unabhängigkeitsbefürwortenden Parteien sind gefordert: «Der Ärger über Madrid ist ein starker Motor – aber viele Katalanen wollen nach den turbulenten letzten Wochen jetzt Konzepte präsentiert bekommen, wie es weitergehen soll», sagt Macher. Für den Wahlausgang werde auch von Bedeutung sein, welche Spitzenkandidaten für die Parteien, oder ein Parteienbündnis, das über eine Hintertür doch noch zustande kommen könnte, ins Rennen ziehen. So habe Puigdemont aus Brüssel signalisiert, er wäre bereit, eine solche Einheitsliste anzuführen. Unklar ist auch, ob Puigdemonts früherer Vize, Oriol Junqueras, kandidieren wird. Dieser sitzt allerdings in Madrid in Untersuchungshaft.