Die EU-Staats- und Regierungschefs haben am Donnerstag erneut über die Eckpunkte eines Konjunkturprogramms diskutiert. Beschlossen wurde nichts, aber die Konturen des Hilfspakets werden nun langsam sichtbar. Rund 540 Milliarden Euro soll es umfassen. Nun müssen die Details geklärt werden. Daniel Gros vom Center for European Policy hält das für einen wichtigen Schritt.
SRF News: Wie hoch war der Druck auf die Staats- und Regierungschefs bei diesem vierten EU-Gipfel, endlich etwas Konkretes zu liefern?
Daniel Gros: Es war ein politischer Erfolg, denn das Wichtige an diesem Gipfel war, dass jeder Teilnehmer sich umwenden und seinem eigenen Volk erklären konnte, er habe gewonnen. Das hiesse für Angela Merkel, wir kommen da raus, ohne sehr viel Geld dafür ausgeben zu müssen; für die Italiener und Spanier hingegen, die EU tut etwas. Viele Milliarden werden nun locker gemacht.
Es war für jeden ein kleiner Sieg. Aber wurde auch etwas beschlossen?
Beschlossen wurde etwas, das nicht direkt so wichtig ist, aber doch eine gewisse Bresche bedeutet. Nämlich, dass die EU-Kommission Vorschläge vorlegen kann, die de facto eine Art Mini-Corona-Bonds bedeuten werden. Nur wird man sie vielleicht anders nennen. Wenn das kommt, wäre das wirklich eine Neuheit für die EU und sehr wichtig. Doch der Betrag wird wohl sehr viel kleiner sein als die 1000 Milliarden, von denen man spricht.
Wie würden diese Mini-Corona-Bonds denn aussehen?
Was kommen könnte, wären Anleihen, die die EU selbst herausgibt. Anleihen, die von allen Mitgliedstaaten garantiert werden, um damit Kredite zu vergeben, aber vielleicht auch Transfers an Not leidende Länder zu machen.
Wir machen es so, dass die Italiener sagen können, es kommen Corona-Bonds, und die Deutschen, sie kommen nicht.
Das hat es übrigens vor 40, 50 Jahren schon einmal gegeben, als der Ölpreis in die Höhe ging. Damals gab es auch grossen Aufruhr, aber das hat relativ gut geklappt. Es wurde ein relativ grosser Kredit an Italien vergeben. Nach fünf, sechs Jahren wurde der Kredit zurückbezahlt, und deswegen haben wir es heute wieder vergessen. Es gibt also schon einen Präzedenzfall.
Hat der Gipfel den Streit zwischen Deutschland und Italien entschärft?
Man hat sich zunächst darauf geeinigt, zu sagen, irgendeine grosse Summe kommt, und wir sehen dann, wie das konkret ausgestaltet wird. Doch das wirkliche Abkommen war, zu sagen: Wir machen es so, dass die Italiener sagen können, es kommen Corona-Bonds, und die Deutschen, sie kommen nicht.
Wird das genügen, um die Wirtschaft in der EU wirklich zu stützen?
Das Wichtige für die Regierungschefs ist, ob es politisch reicht, um ihre Situation im Inland zu stützen. Und da ist das schon mal ein erster Etappensieg. Die Wirtschaft selbst wird sich wohl in den meisten Ländern relativ rasch wieder erholen. Ob die Hilfe der EU dabei eine grosse Rolle spielt, das wage ich zu bezweifeln.
Man streitet sich, doch man weiss, letztendlich wohnt man unter einem Dach. Ausziehen wäre schlimmer.
Es wurde immer wieder darüber diskutiert, wie zerstritten die EU in letzter Zeit doch war. Ist das jetzt wieder ein Schritt aufeinander zu?
Es ist wie in vielen Familien. Man streitet sich, doch man weiss, letztendlich wohnt man unter einem Dach. Ausziehen wäre schlimmer. Und deswegen ist man sich erst einmal darüber einig, dass man sich nicht so ganz einig ist. Aber man sagt sich, wir sind im Prinzip bereit, einen neuen Schritt zu tun.
Kann man sagen, wir sind jetzt zumindest auf einer Art Zielgeraden?
Man ist jetzt zumindest auf einem Weg, auf dem alle Beteiligten sehen können, okay, am Ende könnte ein Ergebnis stehen, welches für mein Land zufriedenstellend ist. Und ich glaube, das ist das Wichtige daran.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.