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Der Streit zweier Ölprinzen hat Einfluss auf die internationale Politik
Aus SRF 4 News aktuell vom 01.09.2020. Bild: Keystone/sda
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Wirtschaftsblockade Emirate gegen Katar: der Bruderkrieg der Ölprinzen

Der Streit zwischen Katar und den Emiraten beeinflusst die ganze Region. Er wurde nun auch in Den Haag verhandelt.

Seit drei Jahren wird die winzige, aber schwerreiche Golfmonarchie Katar von ihren Nachbarn unter einer Wirtschaftsblockade gehalten. Der Streit der Ölprinzen wirft Schockwellen durch die ganze Region. In den letzten Tagen wurde er auch vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verhandelt.

Treibende Kraft hinter der Strafaktion gegen Katar sind die Vereinigten Arabischen Emirate, die wie Katar über gewaltige Mengen fossiler Rohstoffe und entsprechende finanzielle Ressourcen verfügen.

Katar klagt vor UNO-Gericht

Im Schulterschluss mit Saudi-Arabien, dem grössten Staat auf der arabischen Halbinsel, kappten die Emirate im Juni 2017 sämtliche Verkehrsverbindungen nach Katar zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Sie belegen den kleinen Golfstaat mit einem umfassenden Embargo, um den Nachbarn in die Knie zu zwingen.

Auch wiesen sie katarische Staatsangehörige aus. Darauf bezieht sich die Klage Katars gegen die Emirate vor dem höchsten UNO-Gericht, zu der in den letzten Tagen Anhörungen stattfanden. Katar macht geltend, die Ausweisung seiner Staatsangehörigen sei eine Diskriminierung gemäss der Antirassismus-Konvention der Uno (CERD).

«Rassismus» gegen Katar?

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Die Antirassismus-Konvention CERD verbietet Benachteiligungen etwa aufgrund von Rasse, Hautfarbe oder des «nationalen Ursprungs». Katar und die Emirate haben beide die Konvention unterzeichnet. Im Kern geht es um die Frage, ob der Begriff des «nationalen Ursprungs» so direkt auf eine einzelne Staatsangehörigkeit bezogen werden kann, und die Konvention damit auf den Konflikt der Golfstaaten auch tatsächlich anwendbar ist. Das UNO-Gericht hat die Klage Katars zugelassen, hält sie also nicht von vornherein für völlig abwegig, der Streit der Juristen dürfte aber noch über Monate weitergehen.

Die juristische Auseinandersetzung ist aber nur ein Nebenschauplatz. Beendet werden kann der Konflikt nur, wenn beide Seiten erkennen, dass sie sich verrannt haben.

Es geht um die überdimensionierten Egos von Ölscheichs, ausstaffiert mit unverschämtem Reichtum und gewaltigem Sendungsbewusstsein. Aber es geht auch um handfeste strategische Differenzen darüber, in welche Richtung die Region sich entwickeln soll.

Katar förderte Proteste

Katar hat im letzten Jahrzehnt im Nahen Osten viel in Protestbewegungen investiert – nicht in liberale Bewegungen nach westlichem Zuschnitt, sondern islamistische, vor allem der sogenannten Muslimbrüder.

Protest von der Basis aber ist den Vereinigten Arabischen Emiraten suspekt, weil sie darin eine Bedrohung für ihr eigenes absolutes Herrschaftsmodell sehen. Sie setzen im Namen der Stabilität auf autoritäre Regimes, Warlords und Generäle und unterstützen diese mit Geld und Waffen.

Mit der Blockade und «13 Bedingungen» versuchten sie gemeinsam mit Saudi-Arabien, den widerspenstigen Bruderstaat Katar auf Kurs zu bringen. Abu Dhabi wirft Katar vor, es finanziere «Terroristen». Die Bedingungen kamen einer Kapitulationsaufforderung gleich. Katar hätte sich völlig der aussenpolitischen Linie der Nachbarn unterwerfen sollen.

Schulterschluss mit der Türkei

Doch Katar konnte sich Widerstand leisten. Es schleuste Milliarden aus seinem Staatsfonds in die eigene Volkswirtschaft zurück, um die Folgen der Blockade zu lindern. Und es erhielt Hilfe aus dem Ausland: Iran, der grosse regionale Rivale der Saudis, mit dem Katar das grösste Gasfeld im Persischen Golf teilt, hielt die Verbindungen zum belagerten Ministaat offen.

Auch der türkische Präsident Erdogan half und schickte Versorgungsgüter und Soldaten. Katar verdankte die Solidarität mit Milliardenspritzen für die schwächelnde türkische Wirtschaft. Das strategische Bündnis scheint für beide Seiten eine Priorität. Die Türkei Erdogans hat ebenfalls eine Schwäche für Islamisten vom Schlage der Muslimbrüder.

Letztes Jahr gab es Anzeichen, dass die Golfstaaten Wege finden könnten, ihren Streit beizulegen.

Doch angesichts der anhaltend grossen regionalen Spannungen überwiegt inzwischen wieder die Skepsis.

Konflikte in der ganzen Region

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Der Krieg der Prinzen am Golf kompliziert Konflikte in der ganzen Region. Von Somalia bis Libyen rüsten beiden Seiten mit ihren Öl- und Gasmilliarden entgegengesetzte Konfliktparteien auf. In Libyen etwa unterstützten die Emirate, gemeinsam mit Ägypten, Russland und Frankreich, den ostlibyschen Warlord General Haftar, während sich Qatar gemeinsam mit der Türkei hinter die Regierung Saraj stellte. Bis zurück zum «Arabischen Frühling» von 2011 lässt sich die Rivalität nachzeichnen.

Katar förderte damals in Ägypten den islamistischen Flügel des Aufstands gegen Langzeitherrscher Mubarak, auch propagandistisch, mit seinem bekannten Auslandsender Al Jazeera. Als Mubarak gestürzt war und mit Mohammed Mursi tatsächlich ein Muslimbruder zum Präsidenten gewählt wurde, traten alsbald die Vereinigten Arabischen Emirate auf den Plan und finanzierten den Putsch der ägyptischen Generäle, bis heute sind sie die wichtigsten Sponsoren des Regimes von Präsident Sisi in Kairo.

Spuren des Bruderkriegs am Golf finden sich selbst im Streit ums Erdgas im östlichen Mittelmeer: Katar hält auch dort zur Türkei, während die Emirate sich an griechischen Militärmanövern beteiligen, mit denen der türkische Präsident Erdogan beeindruckt werden soll.

SRF 4 News, 1.9.2020, 8:15 Uhr

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