Das ist passiert: Die kommunistische Führung Chinas hat den 60. Jahrestag der Gründung der Autonomen Region Tibet gefeiert. Unter den Augen von Staats- und Parteichef Xi Jinping zog in der tibetischen Hauptstadt Lhasa eine Parade aus Soldaten, Tänzern und Menschen mit Propaganda-Bannern über einen Platz vor dem berühmten Potala-Palast, der früheren Winterresidenz des Dalai Lamas.
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Bild 1 von 4. Mit einer grossen Parade hat Chinas Staatsführung den 60. Jahrestag der Gründung des chinesischen Landesteils Tibet gefeiert. Bildquelle: Keystone/XINHUA/XIE HUANCHI .
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Bild 2 von 4. Staats- und Parteichef Xi Jinping ist dafür in die tibetische Hauptstadt Lhasa gereist. Bildquelle: Keystone/XINHUA/SHEN HONG.
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Bild 3 von 4. Vor dem Potala-Palast gab es eine grosse Parade aus Menschen in traditionellen tibetischen Gewändern, Soldaten und Tänzerinnen. Bildquelle: Keystone/XINHUA/YIN BOGU.
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Bild 4 von 4. Xi hielt am Vortag eine Rede bei einem Treffen mit Vertretern der Region. Bildquelle: Keystone/XINHUA/XIE HUANCHI.
Xi fordert mehr Wachstum: Am Vortag hatte der chinesische Staatschef bei einem Treffen mit Vertretern der Region gefordert, politische und soziale Stabilität für mehr Wohlstand in Tibet aufrechtzuerhalten. Die Region solle ausserdem Grossprojekte wie den umstrittenen und womöglich einmal weltweit grössten Staudamm am Fluss Yarlung Tsangpo vorantreiben, sagte er.
Die Gründe fürs Xis Besuch: Die Visite des chinesischen Staatschefs in der umstrittenen Region fällt in eine angespannte Lage, sagt Lea Sahay, Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung in Peking. «Der Dalai Lama ist gerade 90 Jahre alt geworden, und es steht die grosse Frage der Nachfolge im Raum. Auch 60 Jahre nach der Besetzung Tibets herrscht grosser Widerstand gegen die kulturelle und religiöse Unterdrückung der Region. Und Xi hat sicher versucht, ein Signal der Stärke, der Einigung und der Einheit zu senden.»
Kontrolle und Überwachung: Für ausländische Journalisten ist es beinahe unmöglich, nach Tibet zu reisen. Sahay war jüngst in einem Gebiet, das einst in kultureller Hinsicht zu Tibet gehörte. Selbst dort sei die Kontrolle massiv: «An jeder Strassenecke gibt es Polizei, überall hängen Überwachungskameras. Die Leute laufen mit gesenkten Köpfen durch die Strassen. Es ist faktisch kaum möglich, mit den Leuten zu sprechen. Das kann ernste Konsequenzen haben.»
Religion als Gefahr für Stabilität: Xi sprach in seiner Rede von religiöser Harmonie. Was genau versteht er darunter? Sahay: «Religion soll den Sozialismus mit chinesischen Eigenschaften unterstützen, wie es heisst. In der Realität heisst das, man soll sich der Autorität der Partei unterordnen. Religiöse Praktiken gelten nur, solange sie eben politisch erwünscht sind.» In Tibet heisse das konkret, dass der Buddhismus nicht frei ausgeübt werden darf, wie in anderen Teilen Chinas zum Beispiel auch der Islam. Denn dies behandle die Kommunistische Partei als Gefahr für ihre Stabilität. «Harmonie bedeutet aus Sicht der Partei eben nicht Vielfalt, sondern im Prinzip Unterdrückung und Kontrolle über das religiöse Leben und damit auch das Leben der Tibeter.»
Die Bedeutung Tibets für China: Tibet ist ein riesiges Gebiet. Für die chinesische Regierung ist es geopolitisch eine enorm wichtige Region. Laut Sahay ist es eine strategische Pufferregion im Himalaya, die eine wichtige Rolle im andauernden Grenzkonflikt mit Indien spielt. Einige der wichtigsten Flüsse Asiens entspringen in der Region. Ausserdem gibt es viele Rohstoffe, vor allem auch Seltene Erden. «Ganz grundsätzlich ist die territoriale Einheit und nationale Stärke, die an Tibet hängt, ein Zeichen der Macht. Deswegen muss man davon ausgehen, dass die Kommunistische Partei keinen Zentimeter zurückweicht und dass sie gerade jetzt bei der Frage, wer auf den Dalai Lama folgt, alle Kraft und alle Energie einsetzen wird, um in dieser Frage mitzubestimmen.»