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Xi Jinping in Lhasa Chinas Führung feiert 60 Jahre Tibet-Gründung – das Wichtigste

Diese Woche hat der chinesische Staatspräsident Xi Jinping die tibetische Hauptstadt besucht. Die Hintergründe.

Das ist passiert: Die kommunistische Führung Chinas hat den 60. Jahrestag der Gründung der Autonomen Region Tibet gefeiert. Unter den Augen von Staats- und Parteichef Xi Jinping zog in der tibetischen Hauptstadt Lhasa eine Parade aus Soldaten, Tänzern und Menschen mit Propaganda-Bannern über einen Platz vor dem berühmten Potala-Palast, der früheren Winterresidenz des Dalai Lamas.

Xi fordert mehr Wachstum: Am Vortag hatte der chinesische Staatschef bei einem Treffen mit Vertretern der Region gefordert, politische und soziale Stabilität für mehr Wohlstand in Tibet aufrechtzuerhalten. Die Region solle ausserdem Grossprojekte wie den umstrittenen und womöglich einmal weltweit grössten Staudamm am Fluss Yarlung Tsangpo vorantreiben, sagte er.

Kritik an Chinas Vorgehen in Tibet

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Menschenrechtler werfen Peking schwere Verstösse gegen die Religions- und Meinungsfreiheit sowie kulturelle Unterdrückung in Tibet vor. Ausländische Medienschaffende sowie Hilfswerke dürfen nur mit einer Sondergenehmigung in die Region einreisen, in der die Nordseite des Himalaya-Gebirges liegt.

Im September 1965 hatte Peking offiziell die Autonome Region gegründet. Zuvor war die chinesische Volksbefreiungsarmee in den 1950er Jahren in das damals selbst erklärt unabhängige Tibet einmarschiert, weil Peking das Gebiet zu Chinas Territorium zählte.

Nach einem brutal niedergeschlagenen Aufstand floh das Glaubensoberhaupt des tibetischen Buddhismus, der Dalai Lama, 1959 ins Exil nach Indien und kehrte seitdem nicht wieder nach Tibet zurück. Peking bezeichnet ihn bis heute als Separatisten und will, dass sich der tibetische Buddhismus an die sozialistische Gesellschaft anpasst.

Die Gründe fürs Xis Besuch: Die Visite des chinesischen Staatschefs in der umstrittenen Region fällt in eine angespannte Lage, sagt Lea Sahay, Korrespondentin der Süddeutschen Zeitung in Peking. «Der Dalai Lama ist gerade 90 Jahre alt geworden, und es steht die grosse Frage der Nachfolge im Raum. Auch 60 Jahre nach der Besetzung Tibets herrscht grosser Widerstand gegen die kulturelle und religiöse Unterdrückung der Region. Und Xi hat sicher versucht, ein Signal der Stärke, der Einigung und der Einheit zu senden.»

Kontrolle und Überwachung: Für ausländische Journalisten ist es beinahe unmöglich, nach Tibet zu reisen. Sahay war jüngst in einem Gebiet, das einst in kultureller Hinsicht zu Tibet gehörte. Selbst dort sei die Kontrolle massiv: «An jeder Strassenecke gibt es Polizei, überall hängen Überwachungskameras. Die Leute laufen mit gesenkten Köpfen durch die Strassen. Es ist faktisch kaum möglich, mit den Leuten zu sprechen. Das kann ernste Konsequenzen haben.»

«Die Partei will den nächsten Dalai Lama aussuchen»

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Sahay erklärt, dass die Nachfolge des Dalai Lama durch eine Wiedergeburt geschieht. Das bedeutet, man werde sich nach dem Tod des aktuellen Dalai Lamas auf die Suche nach einem kleinen Jungen machen. «Die Sorge aufseiten der Kommunistischen Partei ist, dass dies zu neuen Unruhen führen könnte. Hier hat Xi bei seinem Besuch gesagt, es brauche religiöse Harmonie und ethnische Einheit.»

Die Journalistin deutet diese Aussagen so, dass die Partei damit den absoluten Machtanspruch fordere. «Damit geht einher, dass die Partei den nächsten Dalai Lama aussuchen will.» Dies sei eine einmalige Chance für die Partei. Wenn sie den Dalai Lama besetzen kann, gewinne sie die Kontrolle.

Sahay verweist dabei auf die Entführung des Panchen Lama vor 30 Jahren – damals ein sechs Jahre alter Junge, der bis heute samt Familie als vermisst gilt. Der Panchen Lama ist das zweitwichtigste geistliche Oberhaupt des tibetischen Buddhismus. «Die Polizei hat damals ein Kind eingesetzt, das aus einer linientreuen Familie kam. So ein Szenario ist jetzt wieder denkbar.»

Religion als Gefahr für Stabilität: Xi sprach in seiner Rede von religiöser Harmonie. Was genau versteht er darunter? Sahay: «Religion soll den Sozialismus mit chinesischen Eigenschaften unterstützen, wie es heisst. In der Realität heisst das, man soll sich der Autorität der Partei unterordnen. Religiöse Praktiken gelten nur, solange sie eben politisch erwünscht sind.» In Tibet heisse das konkret, dass der Buddhismus nicht frei ausgeübt werden darf, wie in anderen Teilen Chinas zum Beispiel auch der Islam. Denn dies behandle die Kommunistische Partei als Gefahr für ihre Stabilität. «Harmonie bedeutet aus Sicht der Partei eben nicht Vielfalt, sondern im Prinzip Unterdrückung und Kontrolle über das religiöse Leben und damit auch das Leben der Tibeter.»

Die Bedeutung Tibets für China: Tibet ist ein riesiges Gebiet. Für die chinesische Regierung ist es geopolitisch eine enorm wichtige Region. Laut Sahay ist es eine strategische Pufferregion im Himalaya, die eine wichtige Rolle im andauernden Grenzkonflikt mit Indien spielt. Einige der wichtigsten Flüsse Asiens entspringen in der Region. Ausserdem gibt es viele Rohstoffe, vor allem auch Seltene Erden. «Ganz grundsätzlich ist die territoriale Einheit und nationale Stärke, die an Tibet hängt, ein Zeichen der Macht. Deswegen muss man davon ausgehen, dass die Kommunistische Partei keinen Zentimeter zurückweicht und dass sie gerade jetzt bei der Frage, wer auf den Dalai Lama folgt, alle Kraft und alle Energie einsetzen wird, um in dieser Frage mitzubestimmen.»

SRF 4 News, 22.8.2025, 07:48Uhr ; 

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