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Italien schafft Filmzensur ab
Aus Echo der Zeit vom 07.04.2021. Bild: Imago
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Zahnlose Sittenwächter Italien schafft die Filmzensur endgültig ab

Italienisches Kino war immer auch zensuriertes Kino – bis in die heutige Zeit. Doch nun ist die Filmzensur offiziell Geschichte.

Der italienische Filmklassiker «Cinema Paradiso» von Giuseppe Tornatore erschien 1988. Der Film spielt in einem kleinen Dorfkino in Sizilien kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Kino, die Filme und die Piazza, auf der die Leute die Filme schauen, spielen die Hauptrolle. Thematisiert wird aber auch die Zensur, etwa Kussszenen, die herausgeschnitten werden mussten.

Grob gesagt gab es vier Gründe, warum italienische Sittenwächter Szenen aus Filmen schneiden durften: Sex, Politik, Religion und Gewalt. Schon 1913, als der Film noch stumm war, begann Italiens Regierung mit der Säuberung.

Verschärfung unter Christdemokraten

Später, im Faschismus, erfasste die Zensur dann alles, neben dem Film auch den Journalismus oder die Literatur. Entscheidend aber war es, dass Italien nach dem Krieg zwar die Pressezensur aufhob, nicht aber die Filmzensur. Die christdemokratischen Nachkriegsregierungen verschärften jene sogar.

Szene aus «Cinema Paradiso»
Legende: Ob Pier Paolo Pasolini, Federico Fellini oder Bernardo Bertolucci: Auch die ganz grossen Regisseure hatten mit der Filmzensur zu kämpfen (im Bild: Szene aus «Cinema Paradiso»). imago images

Viele waren betroffen, vor allem in den 1950er und 1960er Jahren: Luchino Visconti musste seinen Film «Rocco und seine Brüder» gleich mehrfach schneiden. Wegen der im Film dargestellten Gewalt, die gegen den «decoro», gegen den Anstand verstosse.

Gleiches galt für Pier Paolo Pasolini, Bernardo Bertolucci oder auch ausländische Regisseure wie Jean-Luc Godard. Pasolini musste sogar vor Gericht erscheinen. Filmkopien von Bertoluccis «Letzter Tango in Paris» wurden im ganzen Land eingesammelt und vernichtet.

Film als «potentes Medium» eingestuft

Dass Italien besonders fleissig zensurierte, hat sicher viel mit dem Einfluss der römisch-katholischen Kirche zu tun. Oder damit, dass Italiens Bevölkerung die Herrschenden nie in einer Revolution in die Schranken gewiesen hatte.

Zudem ist den Italienerinnen und Italienern das Bild, auch das bewegte Bild, äusserst wichtig. So wichtig, dass die Regierungen in Rom den Film stets – zurecht – als ein äusserst potentes Medium einstuften.

Die Regisseure wehrten sich wahrscheinlich auch deshalb nie wirklich vehement gegen die Zensur, weil sie wussten, dass jeder Schnitt das öffentliche Interesse an ihren Filmen nur weiter anstachelte. Eine bessere Werbung konnte man sich gar nicht vorstellen.

In den letzten Jahren allerdings ging den Zensoren die Arbeit aus. Die Sitten hatten sich auch in Italien gelockert. Und wenn es ums Internet geht, um die Abermillionen von Videos im Netz, waren die Scheren endgültig stumpf geworden.

Die offizielle Abschaffung der italienischen Filmzensur ist somit nur noch ein symbolischer Akt. Und weil er so aufreizend spät erfolgt, unterstreicht er eigentlich nur, wie gross in Italien die Beharrungskräfte mitunter sind.

Echo der Zeit, 07.04.2021, 18:00 Uhr

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