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Zwischen Diplomatie und Krieg So könnte es in der Ukraine-Krise weitergehen – drei Szenarien

Der russische Präsident Wladimir Putin hat die beiden Separatistengebiete in der Ostukraine als «Volksrepubliken» anerkannt und russische Truppen in die beiden Gebiete einmarschieren lassen. Wie geht es nach Putins völkerrechtswidrigem Coup weiter? Drei mögliche Szenarien.

Szenario 1: Annexion

Putin kontrolliert fortan die beiden «Volksrepubliken» Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine. Später annektiert er sie – sie werden Teil der Russischen Föderation. Auf weitere militärische Abenteuer und Annexionen verzichtet Putin. Er hat einen Sieg errungen und kann sich zu Hause feiern lassen. Die Ukraine versucht gar nicht erst, die Gebiete zurückzuerobern, sie ist politisch und wirtschaftlich geschwächt.

Der Nato-Beitritt, schon heute unrealistisch, wird noch unrealistischer. Die USA und die EU protestieren und verweigern die Anerkennung der neuen Grenzen. Doch die Sanktionen, die sie erlassen, kümmern Putin wenig. Letztlich akzeptiert der Westen zähneknirschend den neuen Status quo. Das Verhältnis zu Russland verschlechtert sich weiter.

Szenario 2: Diplomatie

Für Putin sind die beiden «Volksrepubliken» ein Verhandlungspfand. Die USA, Frankreich und Deutschland setzen die Gespräche mit Russland fort. Auf dem Tisch liegen die Forderungen des russischen Präsidenten. Zum Beispiel fordert er einen Verzicht der Nato auf neue Mitgliedstaaten, den Abzug von Nato-Truppen aus Osteuropa sowie die Wiederaufnahme von Rüstungskontroll-Verhandlungen.

Problem Nummer eins: Einige der Forderungen, namentlich jene zur Nato, sind für den Westen kaum verhandelbar. Problem Nummer zwei: Putin stellt Forderung um Forderung, lässt aber kaum Bereitschaft zu Zugeständnissen erkennen. Schwer vorstellbar, dass er für einen Deal mit dem Westen seine Truppen aus der Ukraine zurückziehen würde.

Szenario 3: Eskalation

Putin sieht, dass der Westen nach seinem Einmarsch in die Ostukraine zwar protestiert und Sanktionen erlässt – ihn aber ansonsten gewähren lässt. Er nutzt die Gunst der Stunde und versucht weitere Teile der Ukraine unter seine Kontrolle zu bringen. Die russischen Streitkräfte sind den ukrainischen zwar haushoch überlegen, trotzdem kommt es zu einem blutigen Krieg. Vielleicht zum blutigsten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die USA versorgen die Ukraine mit Waffen, der Westen will Putin mit harten Sanktionen bestrafen. Millionen von Menschen flüchten aus der Ukraine, die Energieversorgung Europas ist nicht mehr sichergestellt. Der Ukraine-Krieg erschüttert nicht nur die Weltpolitik, sondern auch die Weltwirtschaft.

Welches Szenario der Zukunft am nächsten kommt, lässt sich zurzeit kaum vorhersehen. Entscheidend sind das Kalkül Putins – und jenes seiner Widersacherinnen und Widersacher im Westen.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

Hier finden Sie weitere Artikel von Sebastian Ramspeck und Informationen zu seiner Person.

Tagesschau Spezial, 22.02.2022, 8 Uhr

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