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Hells Angels und Bandidos Rockerbanden: Wer sie sind und wie es um ihre Gesetzestreue steht

Mitglieder von Hells Angels und Bandidos stehen derzeit in Bern vor Gericht. Ein Einblick in die Rockerszene.

Was ist ein Rockerclub? Grundsätzlich handelt es sich um eine Gruppe, die den Besitz eines Motorrads vorschreibt. International organisierte Gruppierungen – etwa der Hells Angels Motorcycle Club (MC), der Bandidos MC, der Outlaws MC und der Mongols MC – werden laut dem Bundesamt für Polizei (Fedpol) aufgrund ihrer kriminellen Aktivitäten von Europol und zahlreichen staatlichen Polizeibehörden als «Outlaw Motorcycle Gangs» bezeichnet. Das deutsche Bundeskriminalamt definiert eine Rockergruppe als einen Zusammenschluss mehrerer Personen mit strengem hierarchischem Aufbau, enger persönlicher Bindung der Gruppenmitglieder untereinander, geringer Bereitschaft, mit der Polizei zu kooperieren und selbst geschaffenen strengen Regeln.

Was zeichnet die Hells Angels und die Bandidos aus? «Beide Rockergruppen blicken auf eine lange Tradition zurück und haben weltweit Niederlassungen», sagt Bettina Zietlow vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Die Wissenschaftlerin hat zwischen 2017 und 2019 die Rockerszene in Deutschland untersucht und Daten von über 900 Tatverdächtigen ausgewertet. Der Hells Angels MC wurde 1948 in den USA gegründet und besitzt heute rund 500 Ortsvereine, sogenannte Charter, in 58 Ländern. Auch die Bandidos haben ihre Wurzeln in Amerika: Sie formierten sich erstmals 1966 und sind in 33 Ländern präsent. Zietlow: «Beides sind reine Männerclubs mit festen Regeln und klarer Struktur.»

Wie gross sind deren Schweizer Clubs? Seit 2021 ist der Bandidos MC mit zwei Ablegern in der Schweiz präsent. Es ist laut Fedpol «von einer tiefen zweistelligen Anzahl Angehöriger» auszugehen. Die Hells Angels dagegen würden hierzulande schätzungsweise rund 150 bis 200 Mitglieder zählen, teilt Berina Repesa, Mediensprecherin des Fedpol, mit.

Wer sich über die internen Regeln der Szene hinwegsetzt, muss mit Repressionen seitens der Hells Angels beziehungsweise deren Unterstützern rechnen.
Autor: Berina Repesa Mediensprecherin Fedpol

Jene Rocker würden für sich «eine übergeordnete Stellung» in der hiesigen Rockerszene beanspruchen. «Wer sich über die internen Regeln dieser Szene hinwegsetzt, muss mit Repressionen seitens der Hells Angels beziehungsweise deren Unterstützern rechnen.»

Weshalb sind die beiden Banden verfeindet? Die Bildung von Schweizer Bandidos-Ablegern hat gemäss dem Bundesamt für Polizei die Spannungen zwischen den Hells Angels und den Bandidos verschärft. «Fedpol hat Kenntnis von einer einstelligen Anzahl teilweise strafrechtlich relevanter Vorfälle, die mutmasslich diesem Konflikt zuzurechnen sind», schreibt Berina Repesa.

Um den Zusammenhalt in meiner Gruppe zu stärken, muss ich mich gegenüber anderen abgrenzen.
Autor: Bettina Zietlow Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen

Generell sähen solche Gruppierungen ihr Alleinstellungsmerkmal in Gefahr, sagt Bettina Zietlow. «Um den Zusammenhalt in meiner Gruppe zu stärken, muss ich mich gegenüber anderen abgrenzen.» Auch die wirtschaftliche Konkurrenz spiele eine Rolle. Wie die Polizei berichte, kämen sich Rockerclubs beispielsweise bei Geschäften im Drogenhandel oder im Rotlichtmilieu in die Quere.

Wie schätzt die Schweiz die kriminelle Energie von Rockergruppen ein? Mitglieder von hierzulande angesiedelten Rocker- und rockerähnlichen Gruppierungen waren laut Fedpol in der Vergangenheit unter anderem in Gewalt- und Vermögensdelikte sowie Widerhandlungen gegen das Waffen- und das Betäubungsmittelgesetz involviert. Bislang sei hier noch kein Rocker «wegen Beteiligung an oder Unterstützung einer kriminellen Organisation» verurteilt worden, so Berina Repesa.

Grundsätzlich lasse sich sagen, dass es auch in der Schweiz «ein ernstzunehmendes Konfliktpotenzial» in der Szene gebe, die Intensität aber nicht mit jener in gewissen deutschen Bundesländern vergleichbar sei.

Kuttenverbot: Deutschland verbannt Hells-Angels-Logo

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Ein tätowierter Mann trägt ein Hells-Angels-Gilet.
Legende: In Deutschland verboten: das Zeichen des Hells-Angels-Logos in der Öffentlichkeit. Reuters

In Deutschland hat es in der Vergangenheit immer wieder gewaltvolle Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Rockergruppen gegeben. «Die Hürden für ein Verbot solcher Vereine sind gemäss der im Grundgesetz festgeschriebenen Vereinigungsfreiheit hoch», sagt Bettina Zietlow vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen, die die Rockerszene Deutschlands erforscht hat. «Es gelingt beispielsweise dann, wenn der Vereinszweck gegen das Gesetz verstösst.»

Kennzeichen in Öffentlichkeit verboten

Aufgrund dieser Problematik haben die Behörden 2017 das Vereinsrecht verschärft: Sobald ein Ortsverein einer Rockergruppe verboten ist, dürfen deren Kennzeichen nicht mehr in der Öffentlichkeit benutzt werden. Weil nun von den Hells Angels und den Bandidos in Deutschland bereits einige Ableger verboten wurden, dürfen die Mitglieder jener Rockergruppen beispielsweise generell keine Lederjacken mit dem entsprechenden Aufnäher mehr tragen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Entscheid 2020 bestätigt. Das sogenannte «Kuttenverbot» habe aber aus Sicht der Polizei seine Schattenseiten, sagt Bettina Zietlow: «Die polizeiliche Arbeit wird erschwert, da sich Rockergruppen nicht mehr so einfach beobachten lassen.»

In organisierte Kriminalität involviert

In Deutschland werden laut dem Bundeskriminalamt immer mehr Ermittlungsverfahren gegen Rockerclubs sowie gegen deren Angehörige geführt, in denen festgestellt wird, dass kriminelle Rockergruppierungen auch mit anderen Gruppierungen der organisierten Kriminalität zusammenarbeiten. «Der Schwerpunkt liegt hierbei im Bereich Gewaltkriminalität sowie bei Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und das Waffengesetz (WaffG).»

SRF 4 News, 31.05.2022, 13:00 Uhr

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