Der Online-Anlagebetrug hat Hochkonjunktur. Die Fälle nehmen stetig zu, wie das nationale Zentrum für Cybersicherheit (Melanie) gegenüber «Kassensturz» erklärt. Diesen Trend bestätigen auch verschiedene angefragte Kantone. Allein im Kanton Zürich haben sich die Betrugsfälle seit 2017 versechsfacht, die Deliktsumme stieg im letzten Jahr auf rund 20 Millionen Franken.
Wir müssen jetzt jeden Fünfer umdrehen.
Berater schaffen Vertrauen
Oftmals ist es ein gefälschtes Inserat mit prominenten Schweizern wie DJ Bobo oder Roger Federer, die für Investitionen in Bitcoin werben. Rentnerin Z. entdeckte ein solches auf Facebook. Ein Click brachte sie auf die Handelsplattform Kronosinvest. Nachdem sie sich angemeldet und den Mindestbeitrag von 250 Euro einbezahlt hatte, rief ein Mitarbeiter an.
Der Berater kontaktierte sie in den nächsten Wochen täglich und bearbeitete sie, höhere Beträge einzuzahlen. Das bringe mehr Gewinn, sagte er.
Un da sich die 250 Euro über alle Massen gut vermehrten, entschlossen sich Z. und ihr Mann, 80’000 Franken aus der Pensionskasse zu investieren. In zwei Schritten überwiesen sie das Geld, in der Hoffnung, vom Bitcoin-Höhenflug zu profitieren.
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Als sich die Rentnerin das Geld auszahlen lassen wollte, nötigte sie der Berater zu Nachzahlungen. Sie fürchtete, ihre 80‘000 Franken nicht mehr zurückzubekommen und bezahlte in mehreren Schritten weitere 170‘000 Franken, bis das Pensionskassenkonto leer war. Die Folgen bekommt das Rentnerpaar bitter zu spüren: «Wir müssen jetzt jeden Fünfer umdrehen.»
Aussteigen wird schwer gemacht
Eine ähnliche Erfahrung machte A., ein junger Anleger. Per Zufall kam er im Sommer auf die Tradingplattform Clearsave und investierte in Bitcoin. Er war erstaunt, wie gut sich sein Konto entwickelte, aus 250 Euro wurden bald 1000. Und dann sei es geschehen, erklärt er: «Weil es so gut läuft, wird man euphorisch und ist dem Berater dankbar.» Bis im Herbst zahlte er rund 60‘000 Euro ein, über das er auch in Aktien investierte, selbstverständlich auf Empfehlung seines Beraters.
Und auch hier: A. wurde genötigt, gleich zweimal die Hälfte seines angeblichen Bitcoin-Gewinns von 140‘000 Euro einzubezahlen. Und auch er zahlte weiter. «Man kommt in einen Teufelskreis, tut alles, um das Geld zu bekommen, obwohl es keinen Grund gibt, noch mehr einzubezahlen.»
«Kassensturz» hat die betreffenden Online-Plattformen um Stellungnahme gebeten, jedoch keine Antwort erhalten.
Betrug läuft meistens nach gleichem Muster ab
Bei der Zürcher Kriminalpolizei analysiert André Basler täglich Fälle von Online-Anlagebetrug. Er weiss, dass die Plattformbetreiber professionell vorgehen, die Webseiten scheinen auf den ersten Blick seriös und die Berater sind geschult, Geld einzutreiben bis nichts mehr da ist. Die meisten Betrugsfälle laufen nach einem bekannten Muster ab: Die Anleger bekommen Zugriff auf ein Online-Konto, auf dem eine manipulierte Software falsche Gewinne ausweist. Das animiert die Betroffenen, noch mehr einzuzahlen.
Der Kriminalpolizist redet Klartext, wenn es um solche dubiosen Plattformen geht: «Das Geld wird nie investiert Es wird mehrstufig gewaschen und fliesst in die Taschen der Betrüger.»
Den grossen Schaden haben die Betroffenen. Nicht nur finanziell. Dem jungen Anleger A. macht der Betrug zu schaffen: «Viel Geld, über Jahre angespart, ist verloren. Man ist traurig und ärgert sich über sich selbst, dass so etwas passieren konnte.»