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Bagger versuchen, Steine aus dem Bachbett des Guetwüsch bei Oberwil zu holen.
Legende: Die Aufräumarbeiten in Oberwil werden noch lange dauern. ZVG

Panorama Hangrutsch-Beobachter verhinderte im Simmental Schlimmeres

Trotz Dauerregen hat es in der Schweiz bisher kaum Überschwemmungen und weniger als 30 gröbere Hangrutsche gegeben. Die grösste Schlammlawine ging letzte Woche im Berner Simmental nieder. Dank Rudolf Ast, Naturgefahrenberater, wurde dort Schlimmeres verhindert.

Mehrere zehntausend Kubikmeter Schlamm und Geröll wälzten sich am letzten Donnerstag durch den Guetwüsch-Graben bei Oberwil im Berner Simmental, wie Gemeindepräsident Andreas Gafner sagt. Die Mure habe eine Schneise durch den Schutzwald gefräst, Brücken weggerissen und die Kantonsstrasse durchs Simmental verschüttet. Die Aufräumarbeiten werden noch lange dauern und die Gemeindekasse schwer belasten.

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Am Donnerstag regnet es zunächst vor allem im Süden kräftig, dann auch in den zentralen und östlichen Alpen. Wo Unwettergefahr besteht, erfahren Sie hier.

Alles hätte aber noch weit schlimmer enden können, wären die Bewohner nicht so gut vorbereitet gewesen. Das ist auch Rudolf Ast zu verdanken. Er ist der Naturgefahrenberater der Gemeinde Oberwil und kontrolliert regelmässig die steilen Hänge oberhalb des Simmentaler Dorfes.

Täglich im Gefahrengebiet unterwegs

Während der letzten Regenwochen war er mehrmals täglich im rutschgefährdeten Gelände unterwegs, oder beobachtete es mit Fernrohren und Fotoapparaten von Unterständen aus: «Ich habe einen Armeefeldstecher mit einem Fadenkreuz drin und ich orientiere mich an Merkpunkten wie Steinen, Gebüschen und Tannen. Wenn sich das stark bewegt, sollte ich das von hier aus sehen.»

Vorletzten Dienstag registrierten Ast und seine Kollegen beunruhigende Geländebewegungen und alarmierten den Krisenstab, wie er weiter sagt. «Am Mittwoch stellten sie bei den neuralgischen Punkten Bagger und andere Fahrzeuge hin.»

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Ein Lob von den Bundesbehörden

Die Gefahrenbeobachtung und Katastrophenvorbereitung in Oberwil sei vorbildlich, lobt Hugo Raetzo, Spezialist für Rutschungen und Hangmuren beim Bundesamt für Umwelt. Dadurch seien grössere Schäden verhindert und vielleicht auch Leben gerettet worden.

«Diese Arbeit ist sehr, sehr wichtig, denn man muss das Feld, den Hang beobachten und sehen, wie er sich verändert.» Theoretisch liesse sich das zwar auch mit moderner Technik bewerkstelligen, mit geophysikalischen Messmethoden, mit Satellitenbildern aus der Luft oder mit Bodensonden, die jede Veränderung registrierten. Aber laut Raetzo würden damit die personellen und finanziellen Kapazitäten weit überstiegen.

Verhindern können wir das nicht. Das bestimmt der Herrgott. Wenn der Bach kommt, wird jedem klar, dass er am besten zur Seite geht und ihm den Platz geben muss, den er in dieser Situation braucht.
Autor: Rudolf Ast Naturgefahrenberater

Bund und Kantone setzen deshalb auf Technik und Beobachtung vor Ort. Bisher waren sie damit erfolgreich. Trotz steigender Bevölkerungszahl und immer wertvollerer Infrastruktur, bleiben die Opferzahlen und die durchschnittliche Schadenssumme seit Jahrzehnten praktisch konstant. Wegen Überschwemmungen, Murgängen und Rutschungen gibt es jährlich maximal drei Tote und Sachschaden von gut 300 Millionen Franken.

Auch mit landesweiten Gefahrenkarten soll die relativ überschaubare Schadensbilanz in Schach gehalten werden. Auf diesen Karten ist detailliert vermerkt, welche Naturgefahren wo und wie stark drohen. Seit Jahrzehnten wird daran gearbeitet. «Insbesondere für Lawinen- und Hochwassergefahren ist man sehr weit. Bei den Massenbewegungen, das heisst bei Rutschungen, vor allem bei diesen kleinen, spontanen Bewegungen, braucht es schon noch ein bisschen Zeit», sagt Hugo Raetzo.

Dennoch sehe man auch in diesem Bereich schon ziemlich genau, wo Gefahren lauerten. Es gelte nun, die raumplanerischen Konsequenzen daraus zu ziehen, Gefahrengebiete zu räumen oder gleich unbebaut zu lassen. Letzteres wäre für Hugo Raetzo die günstigste und effektivste Massnahme, um die Folgen von Naturkatastrophen zu minimieren, wie er sagt.

Aber auch mit der besten Raumplanung und der sorgfältigsten Vorbeugung: Naturkatastrophen wird es immer geben.

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