Zum Inhalt springen

Wetterphänomene Tornados können überall entstehen – auch in der Schweiz

Tornados sind von sogenannten Superzellen abhängig und nicht von der Meerestemperatur, sagt SRF-Meteorologe Jan Eitel.

Entwurzelte Bäume, umgedrehte Autos, aufgerissene Strassenabschnitte: Tornados können verheerend sein. In der Nacht hat ein solcher Tornado an der österreichisch-tschechischen Grenze mehrere Kleinstädte verwüstet. Am Dienstag war auch einer im französischen Verrières-de-Joux, an der Grenze zum Neuenburger Jura, vorbeigezogen. Er riss das Dach von einem Haus.

«Tornados sind wirklich sehr seltene Phänomene», erklärt Jan Eitel von der SRF-Meteo-Redaktion. «Sie sind immer an grosse Gewitter gebunden, an sogenannte Superzellen.» Meist kommen sie überraschend: «Wir können zwar voraussagen, ob das Rezept für starke Gewitter vorhanden ist, vielleicht sogar für Superzellen, aber wo die genau entstehen, ist sehr schwer zu sagen.»

Er vergleicht das Ganze mit einem Kochtopf, in dem die Luftblasen hochgehen, sobald das Wasser kocht. «Wo genau das passiert, ist schwierig im Voraus zu wissen.» Aber wenn dann einmal so eine riesige Gewitterzelle entstanden sei, müsse man theoretisch auch mit einem Tornado rechnen. «Das kann praktisch jedes Mal der Fall sein, muss aber nicht.»

Voraussetzung ist eine Superzelle

Doch wie kommt es zu dem rotierenden Wind? «Wenn wir eine langlebige Gewitterzelle haben, die auch sehr grossräumig ist, dann kann es zu einer sogenannten Superzelle kommen.» Diese sei die Voraussetzung für einen Tornado, so Eitel, denn: «Solche haben im Zentrum beim Aufwind einen rotierenden Anteil – und genau dort kann dann eben so ein Tornado entstehen.»

Hurrikan, Taifun, Tornado oder Twister?

Box aufklappen Box zuklappen

Es gibt verschiedene Begriffe für vermeintlich ähnliche Wetterphänomene. Neben Tornados spricht man auch von Wind- oder Wasserhosen. Ein Tornado in Europa heisst in den USA ebenso Tornado oder auch Twister, weil er sich dreht. Das Wort Tornado kommt vom spanischen «tornar», sich drehen oder wenden.

In den USA gibt es auch Hurrikane. Aber: Ein Hurrikan ist kein Tornado. Ein Hurrikan, der, je nachdem, wo man sich befindet, auch Taifun oder Zyklon heisst, ist ein tropischer Wirbelsturm. Er entsteht nur rund um den Äquator, wo die Wassertemperatur mindestens 25 bis 27 Grad Celsius beträgt. Er zieht seine Zerstörungskraft aus dieser Energie. Aber ein Tornado entsteht losgelöst von diesem warmen Meerwasser, er entsteht im Zusammenhang mit sogenannten Superzellen bei Gewitterlagen.

Eine weitere Voraussetzung ist aber auch die Windscherung. «Das heisst, wir haben unten deutlich weniger Wind als oben, und auch die Windrichtung ist unterschiedlich», so der Meteorologe. «Dies führt dazu, dass ein Unterdruck unter dieser Superzelle entsteht und Luft angezogen wird.»

Diese Luft müsse dann steigen, weil sie nicht in den Boden oder ins Wasser abfliessen könne. «Sie steigt also auf und rotiert dabei. Der Kanal wird dann, weil die Windgeschwindigkeit immer stärker wird, immer enger und enger.»

Vergleich mit Pirouette bei Eiskunstlauf

Das führe zum Pirouetteneffekt. «Man kennt das vom Eiskunstlaufen», erklärt Eitel. «Wenn die Person da den Schwerpunkt ins Zentrum verlegt, beginnt sie, sich schneller zu drehen.» Das Gleiche passiere auch bei einem Tornado.

Muss man sich in Zukunft daran gewöhnen, dass Tornados auch hier auftreten? «Ja», glaubt Eitel, «denn wenn sich die Erde erwärmt, ist natürlich auch mehr Energie vorhanden, da wärmere Luft auch mehr Luftfeuchtigkeit aufnehmen kann.» Somit sei potenziell mehr Energie vorhanden für Gewitter und dementsprechend könnte es künftig auch mehr Tornados geben.

Allerdings: «Wenn man ein bisschen in den Geschichtsbüchern blättert, erkennt man, dass man in Europa bereits im 16. und 17. Jahrhundert immer wieder Tornados hatte. Und von dem her gabs das schon immer, wird es immer geben, aber je nachdem vielleicht ein bisschen häufiger.»

SRF 4 News, 25.06.2021, 08:20 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel