Der Einsturz des Ponte Morandi wird Italien noch lange beschäftigen. Beim Unglück vom 14. August kamen 43 Menschen ums Leben und Genua wurde im Selbstverständnis getroffen. Auch die Wirtschaft leidet unter der fehlenden Hauptverbindung zwischen dem Ost- und dem Westteil der Hafenstadt. Während die Politik den dringend benötigten Wiederaufbau diskutiert, befasst sich die Justiz mit der Analyse der Ursachen.
Der Brückeneinsturz in Genua
Entscheidend in die Ursachenfindung involviert ist ein Schweizer: Der ETH-Professor Bernhard Elsener ist einer von drei Gutachtern. Zusammen mit seinen Kollegen soll er dem Untersuchungsrichter wissenschaftliche Ergebnisse liefern. 60 Tage Zeit haben die Experten für ihre Aufgabe.
Drohnen im Einsatz
Neben den noch bestehenden Brückenabschnitten liegen noch immer einige heruntergefallene Teile vor Ort, andere sind in einem Depot. All diese Überreste der Brücke müssen untersucht werden. Elsener beschäftigt sich insbesondere mit dem Stahlbeton und dessen Zersetzung über die Zeit, der Korrosion. «Die interessantesten Teile des Ponte Morandi liegen in 90 Metern Höhe, deshalb ist der Zugang für unsere Techniker schwierig», sagt Elsener.
Zu bestimmen, wie viel Rost sich ausgebildet hat, ist komplex. Bei den noch bestehenden Abschnitten sei der Zugang zum Stahl nämlich kaum möglich, erklärt der ETH-Professor. Weil die Rostbildung ein elektrochemischer Prozess ist, lassen sich mittels elektrischer Messungen aber auch von aussen Hinweise auf den Korrosionszustand gewinnen. Bei der Untersuchung kommen auch Drohnen zum Einsatz: Für Nahaufnahmen und allenfalls auch, um Messungen durchzuführen.
Untersuchung ist «menschlich schwierig»
Elsener hat bereits mehrere Gerichtsgutachten erstellt, hat also Erfahrung. Doch das Gutachten zum Ponte Morandi sei das schwierigste seiner Karriere. Auch deshalb, weil sie in einem aufgeladenen Klima stattfinde. «Es gibt 43 Tote mit all ihren Hinterbliebenen als Opfer, das ist menschlich viel schwieriger als die Beurteilung eines Sachschadens». Er versuche einfach, sich auf die wissenschaftlich-technische Arbeit in der üblichen Qualität zu konzentrieren.
Für den Erbauer der Brücke, Riccardo Morandi, hat Elsener trotz allem Respekt. In seiner Zeit, den 1950er und 60er-Jahren, sei die Konstruktionsart «schlicht genial» gewesen. Heute hingegen würde niemand mehr eine Schrägseilbrücke wie den Ponte Morandi mit nur vier Stahlseilen bauen.