Der 1:12-Initiative schlecht gesinnt sind Bundesrat und Parlament. Und Jean-François Rime ist besorgt. Der SVP-Nationalrat aus Bulle (FR) wittert Angriffe von Links auf das Erfolgsmodell Schweiz: «Wenn die drei Initiativen – die 1:12-Initiative, die Mindestlohn-Initiative und die Erbschaftssteuer-Initiative – angenommen würden, wäre das eine Katastrophe für die Schweiz und die Sozialpartnerschaft.»
Abstimmungsreif ist die 1:12-Initiative der Jungsozialisten. Wird sie angenommen, darf in einem Betrieb niemand im ganzen Jahr weniger verdienen als der bestbezahlte Manager in einem Monat.
«Willkür nicht mit Willkür bekämpfen»
Das tönt sogar für die freisinnige St. Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter bestechend – allerdings nur auf den ersten Blick: «Natürlich gibt es auch Spitzenlöhne die willkürlich sind. Ein Lohnverhältnis von 1:12 für 300‘000 Unternehmen in der Schweiz festlegen zu wollen, ist auch willkürlich. Man kann Willkür nicht mit Willkür bekämpfen.»
Keller-Sutter sitzt auch im Vorstand des Arbeitgeberverbandes. Sie spricht von staatlichem Lohndiktat und von der Aushebelung der bewährten Sozialpartnerschaft, die die Schweizer Wirtschaft erst so erfolgreich gemacht habe.
«Abzockerei ist explodiert»
Für den früheren JUSO-Präsidenten und heutigen SP-Nationalrat Cedric Wermuth (AG) dagegen ist auch Lohngerechtigkeit ein wesentlicher Teil des sozialen Friedens. Managerlöhne in zweistelliger Millionenhöhe seien schlicht skandalös: «Die Abzockerei ist explodiert. Diese Leute haben extrem viel rausgezogen. Für die grosse Mehrheit bleibt immer weniger.»
Der soziale Ausgleich sei doch eine der besten Trumpfkarten der Schweizer Wirtschaft. «Dieses Modell wurde in den letzten Jahren von ein paar Wenigen in Frage gestellt. Nur das wollen wir korrigieren, nichts anderes.»
Streit um Auswirkung auf Sozialwerke
Und die Thurgauer CVP-Ständerätin Brigitte Häberli Koller glaubt, die JUSO schössen dabei weit über das Ziel hinaus. Mit der 1:12-Vorlage würden nämlich nicht nur ein paar Superreiche geschröpft, sondern das ganze Volk.
Es seien ja die Reichen, die überproportional viele Steuern und Sozialabgaben bezahlten: «Wenn die hohen Löhne fehlen, dann haben wir grosse Löcher in unseren Sozialwerken – vor allem in der AHV. Aber natürlich auch bei den Steuern.»
Die Arbeitgeber rechnen mit Ausfällen von 570 Millionen Franken pro Jahr allein bei der AHV. Für Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, ist das Angstmacherei.
Er geht von einem Nullsummenspiel aus. Es müsse ja nicht sein, dass nur die höchsten Löhne gesenkt werden. Es könnten auch die tiefsten erhöht werden: «Bei den Normalverdienenden wäre dann mehr Geld vorhanden. Für die Sozialversicherungen wäre das neutral.»
Wer Recht hat, bleibt vorerst offen.