Vor genau einem Jahr wurde die Pilotphase der SwissCovid-App gestartet. Die Innovation sorgte für Aufsehen. Die App versprach Nutzerinnen und Nutzer zu warnen, wenn diese sich länger als 15 Minuten und näher als 1.5 Meter in der Nähe einer infizierten Person aufhielten. Bluetooth macht es möglich.
Dieser dezentrale Ansatz, an den ETHs in Lausanne und Zürich entwickelt, setzte internationale Standards, was die Wahrung der Privatsphäre angeht – und wurde von Apple und Google übernommen.
Unbegründete Vorbehalte
Ein Jahr nach der Veröffentlichung ist es still geworden um die App. Die Schweizer Bevölkerung wurde nie warm mit ihr. Rund 20 Prozent der Bevölkerung haben die App aktuell aktiviert. Diese Quote ist seit letztem Herbst konstant geblieben. Auch der Herausgeber der App, das Bundesamt für Gesundheit, hat sich höhere Nutzerzahlen erhofft.
Die Verantwortlichen haben es verpasst, eine grössere Nutzerbasis zu schaffen. Fachleute monieren, das BAG und der Bundesrat hätten überzeugender kommunizieren sollen. Viele Leute hatten Vorbehalte wegen des Datenschutzes – welche völlig unbegründet waren.
Ein weiterer Grund, warum sich heute kaum jemand mehr für die App interessiert: Die App ist scheintot. Das ist eigentlich gut, denn die App meldet sich nur, wenn ein heikler Kontakt festgestellt wurde. Es ist aber insofern schlecht, weil die Nutzerinnen und Nutzer sich fragen, ob die App überhaupt noch funktioniert.
Fehlende Weiterentwicklung
Eine frühzeitige Weiterentwicklung hätte geholfen, dass die App im Bewusstsein der Nutzerinnen geblieben wäre. So fehlt bis heute eine Check-in-Funktion, um sich mittels QR-Code an einer Location zu registrieren. Dieses Update hat das BAG nach langem Zögern auf Ende Juni angekündigt.
Zudem ist die SwissCovid-App erst mit der deutschen Corona-Warn-App kompatibel. Mit allen anderen Länder-Apps kann die Schweizer App keine Daten austauschen. Diese sogenannte Interoperabilität scheiterte auf politischer Ebene.
Daten-Blindflug
Es ist praktisch unmöglich, den Effekt der App nachzuvollziehen. Hierfür fehlen die notwendigen Daten. Es wird nicht erhoben, wie viele Personen sich nach einer App-Warnung haben testen lassen – und dann tatsächlich positiv waren. Das Bundesamt für Gesundheit kann nur sagen, dass bisher 80'000 Personen einen Covidcode eingegeben haben, um andere zu warnen.
Eine aktuelle Studie aus England, veröffentlicht in der Fachzeitschrift «Nature», kommt zum Schluss: Die britische Tracing-App, die vergleichbar ist mit der Schweizer App, habe von Ende September bis Ende Dezember 300'000 bis 600'000 Infektionen verhindert.
Es wäre falsch zu sagen, die App sei gescheitert. Doch verschiedene Baustellen – auch menschlicher Natur – haben verhindert, dass die App eine grosse Akzeptanz in der Bevölkerung geniesst.