Es war ein bemerkenswerter Moment am Mittwoch im Interview mit Bundesrat Alain Berset. SRF-Redaktor Gion-Duri Vincenz fragte den Corona-Minister, was für ihn der Tiefpunkt war in den zwei Pandemie-Jahren. Der sonst redegewandte Magistrat schwieg, kehrte in sich.
Sein Blick wich der Kamera aus und richtete sich unter seinen markanten Augenbrauen zu Boden. Die Sekunden verstrichen. «Die Drohungen», sagte er schliesslich, «Gewalt, Drohungen, der brutale Druck. Das habe ich nicht kommen sehen. Und ehrlich gesagt, ich möchte das nie mehr erleben müssen.»
Es waren Worte, die aus seinem Inneren zu kommen schienen; glaubwürdige Worte, deutliche Worte, ehrliche Worte. Berset punktet damit.
Die Schwester der Ehrlichkeit ist die Verantwortung
Ehrlichkeit ist nicht nur ein kostbares Gut, Ehrlichkeit ist auch der Kit, der uns zusammenhält. Ohne Ehrlichkeit zerreibt sich eine Freundschaft, eine Familie, eine Gesellschaft.
Die Schwester der Ehrlichkeit ist die Verantwortung. Ehrlichkeit und Verantwortung sind es, was wir von unseren Politikern und Politikerinnen erwarten. Zuallererst von jenen, die zuvorderst stehen, die anleiten, die führen. Und führen musste der Bundesrat – mandatiert vom Volk mittels Epidemiengesetz – in den letzten 24 Monaten so stark und klar wie nie mehr seit dem 2. Weltkrieg.
Dass die Menschen Ehrlichkeit und Verantwortung nicht nur erwarten, sondern auch goutieren, zeigt die neuste Corona-Umfrage von SRF und Sotomo. Das klare Öffnungsverdikt, dass sich schon in den letzten Wochen der Umfrage abzeichnete, wird sehr gut benotet. Natürlich auch, weil es eine positive Botschaft ist.
Klare Kommunikation entscheidend
Für das Zaudern, das Rumdrucksen und Rumeiern im Herbst 2020, als der Bundesrat die Verantwortung von sich wies und in einen Infight mit den Kantonen ging, gab es schlechte Noten. Die Schlechteste überhaupt. Das war auch die Zeit, wo gegen 30 Prozent der Befragten eine härtere Gangart des Bundesrates erwarteten.
Und bis heute schleppt der Bundesrat das «Masken-bringen-nichts»-Stigma mit. Die Wochen, als er zu Beginn der Pandemie von der Wirksamkeit des simplen Mund- und Nasenschutzes nichts wissen wollte und von Beschaffungsmöglichkeiten anscheinend tatsächlich nichts wusste.
Immer, wenn der Bundesrat klar kommunizierte, sich hinstellte und Verantwortung übernahm, gewann er auch beim Volk. Berset stand als Gesundheitsminister oft zuvorderst, er wird in der Umfrage mit der besten Note aller Bundesräte belohnt. Sie ist zwar bloss leicht über einer Vier, aber Schweizerinnen und Schweizer sind streng mit ihrer Führung. Jubel ist für Olympia-Gold reserviert, Politiker ernten hierzulande im Tagesgeschäft bestenfalls ernsthaftes Nicken.
Bereitschaft, dem Bundesrat zu folgen, wenn die Krise es verlangt
Grosses oder sehr grosses Vertrauen erhält die bundesrätliche Pandemie-Politik, wenn auch nur von rund der Hälfte der Befragten. Schweizerinnen und Schweizer sind skeptisch gegenüber weitreichender Machtausübung. Aber sie akzeptieren sie, wenn sie nötig erscheint. Wenn sie ehrlich begründet, entschlossen gehandhabt und klar kommuniziert wird.
Jetzt soll der Bundesrat, das zeigt die Umfrage ebenso, seine Zusatzkompetenzen zu Pandemiezeiten wieder abgeben. Das steht nicht im Kontrast zu den deutlichen Abstimmungssiegen, welche der Bundesrat zu den Covid-19-Vorlagen errang, sondern ergänzt diese: Man ist bereit, dem Bundesrat zu folgen, wenn die Krise es verlangt. Jetzt aber ist die Krise vorbei, die zusätzlichen Machtbefugnisse sind nicht mehr opportun. Auf Ende März kehrt der Bundesrat in die normale Lage zurück.
Zur Ehrlichkeit, die sich auszahlt und zur Verantwortung, die getragen werden muss, gehört in den nächsten Monaten das Aufarbeiten der Fehler, die bei Behörden auf bundes- und kantonaler Ebene geschehen sind. Wir werden die Erkenntnisse ertragen, wie die Pandemie-Massnahmen auch.