Darum geht es: Am 15. Juni wird im Tessin darüber abgestimmt, ob der Bahnhof von Locarno-Muralto umgestaltet werden kann. Eigentlich hatte der Grosse Rat des Kantons Tessin bereits grünes Licht gegeben. Dagegen wurde aber das Referendum ergriffen. Fast 10'000 Personen haben es unterschrieben, nötig gewesen wären bloss 7000 Unterschriften. Nun entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des gesamten Kantons über eine letztlich lokale Angelegenheit.
Das sind die Pläne: Das gemeinsam vom Kanton, der Gemeinde Muralto, der Stadt Locarno, der interkommunalen Verkehrskommission Locarnese und Vallemaggia, den SBB, den Ferrovie Autolinee Regionali Ticinesi (FART) und Postauto ausgearbeitete Projekt sieht vor, den Vorplatz des Bahnhofs so zu gestalten, dass er Fussgängern, Velofahrern und Buslinien vorbehalten ist. Zudem sind laut Abstimmungsbüchlein die Einrichtung eines Busterminals, die Erweiterung und Neuordnung der Veloparkplätze, die Neuorganisation des Strassenverkehrs sowie Kurzzeitparkplätze für Autos vorgesehen.
Das sind die Kosten: Die Ausgaben für die Neugestaltung betragen insgesamt 16 Millionen Franken. An diesen beteiligt sich der Kanton Tessin mit gut sieben Millionen Franken. Der Rest wird von der Eidgenossenschaft und den beteiligten Gemeinden getragen.
Das ist der Streitpunkt: Umstritten ist vor allem die Verkehrsführung der Busse, die zum Bahnhof fahren und vom Bahnhof wegfahren und die neu über ein relativ kleines Strässchen geführt werden sollen, die Viale Cattori. Diese gilt heute als kleiner Boulevard mit einem bekannten Kaffeehaus und Restaurant. Hier sollen künftig 250 Busse pro Tag verkehren.
Das sagen die Gegner: Ihr Hauptargument sind genau diese 250 Busse, die künftig jeden Tag über diese 80 Meter kurze Nebenstrasse fahren. Die Attraktivität dieses Zentrumabschnitts mit Geschäften würde dadurch stark gemindert. Die Viale Cattori, die durch ein «lebendiges und touristisch geprägtes Quartier» führe, würde durch die Neugestaltung «ersticken», schreiben die Initianten des Referendums «Salva Viale Cattori» auf ihrer Homepage. Das Konzept überzeuge zudem insgesamt nicht, die prognostizierte Verkehrsreduktion beurteilen die Gegner als «unrealistisch».
Das sagen die Befürworter: Es sei die bestmögliche Lösung und notwendig, um die Busse zu einem neuen Busterminal zu leiten, der direkt vor dem Bahnhof gebaut werden soll. Die 250 Busse, die neu über die Viale Cattori geführt würden, seien nicht wirklich ein Lärmproblem, da die gesamte Flotte elektrifiziert würde. Ausserdem soll die tägliche Anzahl Privatfahrzeuge von heute 3000 auf 1000 reduziert werden. Da der Boulevard mit Bäumen bepflanzt werde, entstehe ein Tor zum See – weshalb sich das Pro-Komitee auch «Ja zum Tor Locarno» nennt.
Das sind die Aussichten: Gerhard Lob, freischaffender Journalist in Locarno, der auch für SRF berichtet, glaubt, dass es für das Projekt schwierig werden wird. «Wir haben gesehen, dass die Mehrheit der Stimmenden im Tessin bei Projekten in Locarno oft skeptisch sind, weil ja die meisten weit weg wohnen. Sie fragen sich ‹Warum sollen wir dieses Geld dort ausgeben?›. Dies begünstigt seiner Meinung nach die Chancen für das Referendum.