Zum Inhalt springen

Aargauer Kantonspolizei Freispruch: Sondereinheit hat einen Mann nicht zu hart angepackt

  • Das Bezirksgericht Lenzburg hat zwei Beamte der Aargauer Polizeisondereinheit Argus vom Vorwurf der Körperverletzung und des Amtsmissbrauchs freigesprochen.
  • Es ging vor Gericht um eine Festnahme vor sechs Jahren in Hunzenschwil.
  • Dabei wurde auch ein unschuldiger Mann ziemlich hart angefasst.
  • Der Fall beschäftigt die Justiz schon länger, weil die Staatsanwaltschaft das Verfahren eigentlich hätte einstellen wollen.

Der Vorfall, der vor Gericht analysiert wurde, ist filmreif: Zwei junge Männer fahren im August 2019 mit ihrem Auto an eine Tankstelle. Plötzlich tauchen drei zivile Polizeifahrzeuge auf und blockieren das Auto. Beamte in Zivilkleidung mit gezückten Waffen stürmen zum Auto und verhaften die beiden Männer. Dabei fixieren die Beamten einen der Männer am Boden, wie auf einem Überwachungsvideo zu sehen ist.

Videoüberwachungsbilder
Legende: Die Bilder der Polizei zeigen den Zugriff in Hunzenschwil. Das Gericht musste über dessen Verhältnismässigkeit urteilen. SRF / zvg

Einer der beiden Männer war ein Tatverdächtiger, er sass auf dem Beifahrersitz. Er war zur Verhaftung ausgeschrieben und wurde später unter anderem wegen Brandstiftung verurteilt. Der andere Mann war der Fahrer des Autos. Er war unbescholten und nur zufällig dabei. Auch er wurde aus dem Wagen geholt und an der Schulter auf dem Boden fixiert. Er erstattete später Anzeige gegen die Polizisten, unter anderem wegen Körperverletzung.

Sondereinheit Argus im Aargau

Box aufklappen Box zuklappen
Männer stürmen als Übung ein Haus
Legende: Nur ausgewählte Polizistinnen und Polizisten sind Teil der Sondereinheit Argus im Aargau. zvg / Kantonspolizei Aargau

Die Ursprünge der Sondereinheit Argus reichen in die 70er-Jahre zurück, als linksextreme Organisationen in Europa Anschläge verübten. Gegründet wurde Argus im Jahr 1975, damals als Antiterroreinheit unter der Bezeichnung «Grenadierzug».

Heute kommt die Einheit vor allem bei Amokläufen, Geiselnahmen, Banküberfällen oder auch heiklen Festnahmen zum Einsatz.

Im Sommer 2019 gewann die Aargauer Sondereinheit einen internationalen Wettkampf von Polizeispezialeinheiten.

Wie viele Mitglieder Argus zählt, gibt die Polizei auch auf Anfrage nicht bekannt.

Andere Kantone haben ebenfalls Sondereinheiten. Im Kanton Bern heisst die Sondereinheit Enzian, im Kanton Zürich Diamant.

Die Polizei argumentierte nach dem Vorfall, dass alles korrekt abgelaufen sei. Die Mitglieder der Sondereinheit hätten mit Waffen und Sprengstoff im Auto rechnen müssen. Der Beifahrer habe eine grosse Gefahr dargestellt, weil er einen Brandanschlag verübt hatte, sagte der Verteidiger des einen Polizisten vor Gericht.

Tankstelle
Legende: Bei dieser Tankstelle in Hunzenschwil erfolgte der umstrittene Zugriff im Jahr 2019. SRF / Mario Gutknecht

Die Staatsanwaltschaft wollte das Verfahren einstellen. Doch das Aargauer Obergericht akzeptierte die Beschwerde des unbeteiligten Autofahrers teilweise und forderte weitere Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft klagte die beiden Polizisten dann wegen einfacher Körperverletzung und Amtsmissbrauchs an.

Vor dem Bezirksgericht Lenzburg ging es um die Frage: War die Art und Weise der Aktion in Hunzenschwil verhältnismässig? Die Verhaftung an sich war für das Obergericht unumstritten. Waren aber das Zu-Boden-Bringen des Autolenkers und der Druck auf seine Schultern rechtens?

Traumatisch, aber korrekt

Ja, sagt nun das Bezirksgericht Lenzburg in seinem Urteil vom Dienstag. Die Polizisten der Sondereinheit hätten korrekt und «standardmässig» gehandelt. Sie hätten sich als Polizei zu erkennen gegeben und in der kurzen Zeit nicht herausfinden können, ob der Fahrer – der Strafkläger – gefährlich war oder nicht.

2009: Sondereinheit nach Schüssen vor Gericht

Box aufklappen Box zuklappen
  • Mitglieder der Sondereinheit Argus der Kantonspolizei Aargau standen in der Vergangenheit auch schon vor Gericht.
  • Nationale Schlagzeilen machte ein Einsatz 2009 in Wohlen, als ein betrunkener Ehemann angeschossen wurde. Der zuständige Einsatzleiter wurde verurteilt, wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung.
  • Laut dem Bundesgericht ist es nicht nachvollziehbar, warum der Einsatzleiter die Wohnung bereits nach 90 Minuten durch schwer bewaffnete Polizisten stürmen liess. Man hätte länger warten oder verhandeln müssen.
  • Der Polizist, der die beiden Schüsse abgab, wurde von den Vorwürfen der schweren Körperverletzung und der versuchten vorsätzlichen Tötung freigesprochen.

Der Übergriff könne für den unbescholtenen Fahrer des Autos durchaus traumatisch gewesen sein. Trotzdem hätten die Zuständigen gemäss Vorschriften gehandelt, befand das Gericht.

Es folgt mit dem Urteil den Forderungen der Verteidigung. Das Urteil des Bezirksgerichts Lenzburg ist noch nicht rechtskräftig.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 17.6.2025, 06:31 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel