Zum Inhalt springen

Aargauer Wahlen 2024 Morddrohung an Aargauer Mitte-Politikerin nach Internet-Pranger

Eine Aargauer Mitte-Grossrätin wurde vom kantonalen SVP-Präsidenten Andreas Glarner im Internet angeprangert. Danach erhielt sie Morddrohungen.

Sind die Versprechungen der Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf mehr als nur Lippenbekenntnisse? Diese Frage stellen sich viele Wählerinnen und Wähler. Vor den kantonalen Wahlen hat offenbar auch der Aargauer SVP-Präsident Andreas Glarner überprüft, ob die Kandidierenden ihren Worten Taten folgen lassen – und er hat seine Erkenntnisse veröffentlicht.

Auf der Social-Media-Plattform X schrieb Glarner, «Rita Brem-Ingold will, dass auch straffällige Ausländer eingebürgert werden». Zu sehen ist dabei ein Bild der Mitte-Grossrätin. Glarner verwies in seinem Social-Media-Beitrag zudem auf ein Abstimmungsprotokoll aus dem Aargauer Grossen Rat vor zwei Jahren. Genauer ging Glarner allerdings nicht auf den Fall ein.

Der Hintergrund: Zur Debatte stand damals im Kantonsparlament die Einbürgerung eines straffällig gewordenen jungen Mannes. Er hatte Kleidung im Wert von 123 Franken gestohlen. Die Mehrheit des Grossen Rates wies sein Einbürgerungsgesuch ab. Mitte-Grossrätin Rita Brem-Ingold war in der Abstimmung für die Einbürgerung des Mannes.

«Das ist perfid»

Für die Aargauer Politikerin, die wie Andreas Glarner in der Gemeinde Oberwil-Lieli wohnt, ist dieser Social-Media-Beitrag perfid. Glarner verdrehe die Wahrheit: «Wenn man etwas aus dem Kontext herausholt und nur einen Teil schreibt, dann suggeriert man häufig etwas anderes als wirklich passiert ist.» Laut Rita Brem-Ingold hat der Beitrag einen «riesen Shitstorm» ausgelöst.

Sie spüre das in den Sozialen Medien, wie auch in der Realität: «Als ich eines Morgens mit meinem Hund spazieren ging, sagt mir jemand, dass mein Grab geschaufelt sei. Dass ich demnächst tot sein werde.» Daraufhin habe sie die Polizei alarmiert und Anzeige erstattet. Die Kantonspolizei Aargau bestätigt auf Anfrage von SRF, dass eine entsprechende Anzeige aufgegeben wurde.

«Ungeheuerliches Verhalten»

Für die Aargauer Mitte-Ständerätin Marianne Binder ist das Verhalten von SVP-Präsident Andreas Glarner «ungeheuerlich». Als gewählte Parlamentarierin habe ihre Parteikollegin Rita Brem-Ingold ein Gelübde abgelegt, nach bestem Wissen und Gewissen abzustimmen.

Nachdenkliche Frau im schwarzen Mantel mit Brille in der Hand.
Legende: «Demokratiepolitisch heikel» sei es, dass ihre Parteikollegin Polizeischutz brauche, findet Ständerätin Marianne Binder. KEYSTONE/Alessandro della Valle

Es könne nicht sein, dass sie deswegen einem derartigen Angriff ausgesetzt sei, dass sie jetzt sogar Polizeischutz haben müsse. «Das ist demokratiepolitisch sehr heikel.»

«Mein Beitrag entspricht der Wahrheit»

Wenn es solche Morddrohungen gebe, dann müsse man die Täter mit aller Härte verfolgen, betont Andreas Glarner. Er selbst sei auch schon Opfer von Drohungen geworden. Im aktuellen Fall habe er so etwas wie Morddrohungen sicherlich nicht gewollt.

Gruppe von Menschen in formeller Kleidung lächelt und schaut nach vorne.
Legende: Andreas Glarner (rechts) verteidigt seinen Beitrag in den Sozialen Medien. SRF

Aber: «Ich kann nicht verantworten, was irgendwelche Spinner tun, damit man eine Story daraus macht.» Sein Beitrag auf Social Media habe der Wahrheit entsprochen. Und es dürfe nicht sein, dass man die Wahrheit nicht mehr verbreiten dürfe, weil Gefahr bestehe, dass jemand aufgrund dessen etwas Illegales tun könnten, so Glarner.

Die mutmasslich gewollte Wirkung hat Andreas Glarner mit seinem Social-Media-Beitrag allerdings verfehlt: Rita Brem-Ingold wurde am Sonntag für vier weitere Jahre in den Aargauischen Grossen Rat gewählt.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 21.10.2024, 17:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel