Worum geht es? Showdown in der Jurafrage: Am 22. September entscheiden die Stimmberechtigten der Kantone Bern und Jura über das Moutier-Konkordat. Das Vertragswerk regelt im Detail, wie das Städtchen Moutier von Bern zum Jura wechseln kann. Für die Behörden ist zudem klar: Mit dem Moutier-Konkordat ist die Jurafrage endgültig geklärt, der jahrzehntelange Jurakonflikt mit den Separatisten beigelegt. Die Stimmberechtigten von Moutier entschieden sich am 28. März 2021 mit 54 Prozent Ja für den Kantonswechsel.
Der Jurakonflikt im Zeitraffer
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Bild 1 von 12. Mitglieder der jurassischen Separatistengruppe Béliers demonstrieren in Bern für einen unabhängigen Kanton Jura, 1972. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 12. Anschlag der geheimen Separatistengruppe «Front de Liberation Jurassien» auf ein Munitionsdepot der Armee in Glovelier (BE), 1972. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 12. Berntreue stören eine Versammlung der autonomen «Jeunesse Sud» in Tavannes, 1976. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 12. Mitglieder der jurassischen Separatistengruppe Béliers demonstrieren gegen den Kanton Bern, 1980. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 12. Die Berner Polizei beschlagnahmt Kampf- und Schutzausrüstungen des separatistischen «Rassemblement Jurassien», 1980. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 12. Mit Kreide wird «Jura libre» auf den Rasen des Berner Fussballstadions Wankdorf geschrieben. Bern spricht von einem Vandalenakt, 1983. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 12. Das Denkmal des unbekannten Schweizer Soldaten «le Fritz» in Les Rangiers wird von den jurassischen Separatisten vom Sockel gestürzt, 1984. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 12. Die Statue der Justitia vom Gerechtigkeitsbrunnen liegt in der Berner Altstadt zerschmettert am Boden, nachdem sie von der jurassischen Separatistengruppe Béliers gestürzt wurde, 1986. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 12. Der Bélier-Aktivist Christophe Bader wird von einem Sprengsatz in seinem Wagen in der Berner Innenstadt getötet. Die Hintergründe der Tat bleiben im Dunkeln. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 12. In Saint-Brais wird Bader beerdigt. Hinter dem Sarg stehen die trauernden Eltern des Bélier-Aktivisten, 1993. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 12. Der Unspunnenstein wurde 1984 von den jurassischen Separatisten Béliers aus dem Museum der Jungfrauregion gestohlen. 2001 wurde der Stein wieder zurückgegeben. Shawne Fielding Borer, offizielle Botschafterin der Landesausstellung Expo.02, nahm ihn in Empfang. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 12. Die Béliers installieren den auf der Obwaldner Älggialp gestohlenen «Mittelpunkt der Schweiz» in Bellelay (JU), 2009. Bildquelle: Keystone.
Wie soll die Jurafrage gelöst werden? Im Konkordat ist in einem Artikel festgeschrieben, dass beide Kantone nun jegliche Streitigkeiten rund um Kantonszugehörigkeiten von Regionen beilegen – auch wenn ein Teil des Juras und der französischsprachigen Bevölkerung beim Kanton Bern bleibt. «Beide Kantone anerkennen, dass es keine territorialen Differenzen mehr gibt», sagt der Berner SVP-Regierungsrat und Bernjurassier Pierre-Alain Schnegg.
Was sagt der Experte? Christian Moser hat den Jurakonflikt während Jahrzehnten als Journalist begleitet. Für ihn ist der Jurakonflikt mit dem Moutier-Konkordat keineswegs endgültig gelöst. Die französischsprachige Minderheit habe sich lange Zeit schlecht behandelt gefühlt. Weil die Berner Behörden Mitte des letzten Jahrhunderts ungeschickt reagiert hätten, berge der Konflikt noch immer Zündstoff. «Es braucht sehr wenig, eine kleine Ungerechtigkeit – und schon ist wieder Feuer am Dach in der Jurafrage», sagt er.
Archiv: Der Abstimmungssonntag in Moutier
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Bild 1 von 16. Freudentränen bei den Separatistinnen und Separatisten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 16. Pro-Jurassier feiern das Ja vor dem Rathaus, wo nach der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses eine Fahne des Kantons Jura aufgehängt wurde. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 16. Lange Gesichter bei Pro-Bernerninnen und Pro-Bernern. Sie waren den ganzen Tag auf Moutiers Strassen in der Minderheit. Rund fünfzig versammelten sich gemeinsam. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 16. Es waren die Pro-Jurassier, die das Bild dominierten. Rund 2000 Personen versammelten sich bereits am Nachmittag auf dem Bahnhofplatz. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 16. Nicht alle hielten sich dabei an die Maskenpflicht. Die Polizei wollte nicht eingreifen, um den Jurakonflikt nicht erneut ausbrechen zu lassen. Bildquelle: Rolf Dietrich/SRF.
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Bild 6 von 16. In Zügen und Privatautos trafen zunehmend Pro-Jurassierinnen und Pro-Jurassier in Moutier ein. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 16. Pro-Berner markierten am Nachmittag ihre Sympathien. Bildquelle: Matthias von Wartburg/SRF.
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Bild 8 von 16. Die Berner Kantonspolizei markiert Präsenz in Moutier. Bildquelle: Matthias von Wartburg/SRF.
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Bild 9 von 16. Vorbereitung auf ein Fest? Ess- und Trinkstände standen bereit. Bildquelle: Matthias von Wartburg/SRF.
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Bild 10 von 16. Erinnert eher an ein Stadtfest als an einen Abstimmungssonntag mit Corona-Massnahmen. Bildquelle: Matthias von Wartburg/SRF.
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Bild 11 von 16. Bratwürste standen bereit. Bildquelle: Matthias von Wartburg/SRF.
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Bild 12 von 16. Bier auch am Sonntag. Wegen der Abstimmung gibt es in Moutier überall Bierstände. Bildquelle: Matthias von Wartburg/SRF.
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Bild 13 von 16. Kantonswechsel Ja oder Nein? Abstimmungsplakate zieren das Städtchen. Bildquelle: Matthias von Wartburg/SRF.
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Bild 14 von 16. Am späteren Morgen waren die versiegelten Urnen mit den brieflich abgegebenen Stimmen aus Bundesbern eingetroffen. Die Lieferung aus dem Bundesamt für Justiz wurde von der Polizei eskortiert. Bildquelle: Keystone.
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Bild 15 von 16. Aus Sicherheitsgründen mussten alle mit der Auszählung beschäftigen Personen Taschen und Mobiltelefone abgeben, wie Jean-Christophe Geiser vom Bundesamt für Justiz der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erklärte. Wer an der Auszählung beteiligt ist, darf zudem das Gebäude nicht verlassen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 16 von 16. Die brieflichen Stimmen wurden gleichzeitig mit denjenigen aus den Urnen vor Ort ausgezählt. Stimmberechtigt sind rund 4400 Personen. Die Auszählung kann auf dem youtube-Kanal der Gemeinde live mitverfolgt werden. Bildquelle: Matthias von Wartburg/SRF.
Was steht sonst noch im Konkordat? Seien es Finanzen, Verwaltung, Schule oder Feuerwehr: Der Vertrag regelt die wichtigsten Punkte im Zusammenhang mit dem Kantonswechsel von Moutier. Zwei Jahre lang verhandelten die Behörden von Bern und Jura. «Eine Gemeinde von 7200 Einwohnenden von einem Kanton in den anderen zu transferieren, das ist nicht so einfach», sagt der frühere Berner Regierungsrat Mario Annoni. Es geht auch ums Geld: So muss der Kanton Bern dem Kanton Jura für Moutier in den nächsten sechs Jahren 76 Millionen Franken aus dem Finanzausgleich weitergeben. Der Kanton Jura zahlt dem Kanton Bern 4.4 Millionen Franken für Beteiligungen, etwa am ÖV-Unternehmen BLS.
Was sagt die Gegnerschaft? Gegen das Moutier-Konkordat hat sich bislang kaum Widerstand breitgemacht. Die SVP lehnt das Vertragswerk jedoch ab. Für SVP-Kantonalpräsident und Bernjurassier Manfred Bühler geht es dabei um Grundsätzliches: «Wir akzeptieren aus Prinzip nicht, dass Gemeinden über einen Kantonswechsel abstimmen können. Für uns ist das Kantonsgebiet sakrosankt.» Dies sei auch eine Aufforderung an die Berner Behörden, «nie mehr auf die Forderungen der Separatisten einzugehen».
Was sagen die Befürwortenden? Mit einem Ja zum Kantonswechsel der Gemeinde Moutier wolle man das Kapitel der Jurafrage abschliessen und dazu beitragen, «dass in der Region wieder Ruhe einkehrt», sagt etwa FDP-Grossrätin Pauline Pauli. Peter Gerber (Mitte) meint, mit dem ausgehandelten Moutier-Konkordat sei niemand ganz zufrieden. «Das ist wie bei einer Scheidung, man musste hart verhandeln.»
Wie geht es weiter? Es wird davon ausgegangen, dass die Stimmbevölkerung der beiden Kantone die Vorlage annimmt. Das wird es den 7200 Einwohnerinnen und Einwohnern von Moutier erlauben, wie von ihnen gewünscht am 1. Januar 2026 dem Kanton Jura beizutreten. Dazu muss noch die Bundesversammlung grünes Licht geben, was aber Formsache ist.