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Abstimmung vom 22. September Die Biodiversitäts-Initiative zeigt einen Stadt-Land-Graben auf

Soll die Natur stärker geschützt oder mehr genutzt werden? Die Stadt- und die Landbevölkerung beurteilen diese Frage gegensätzlich. Diese unterschiedliche Grundhaltung prägt das Abstimmungsverhalten bei der Biodiversitäts-Initiative.

Sag mir, was für ein Bild der Natur du hast, und ich sage dir, wie du bei der Biodiversitäts-Initiative abstimmen wirst. So lässt sich einer der Hauptbefunde der jüngsten SRG-Umfrage zu den Abstimmungsvorlagen vom 22. September zusammenfassen. Durchgeführt hat die Umfrage das Forschungsinstitut gfs Bern im Auftrag der SRG.

Skeptische Landbevölkerung

Tatsächlich zeigt die Umfrage, dass die Biodiversitäts-Initiative bei der ländlichen Bevölkerung grosse Vorbehalte auslöst: Auf dem Land unterstützen nur 41 Prozent der Befragten die Initiative. Anders ist hingegen das Bild in den grossen Agglomerationen und Städten: Dort wollen 56 Prozent Ja stimmen.

Laut Politikwissenschaftler Lukas Golder von gfs Bern, der die Umfrage mit seinem Team durchgeführt hat, ist dieser Unterschied durch unterschiedliche Haltungen zur Natur zu erklären: «Auf dem Land ist die bäuerliche Optik sehr wichtig. Man will dort eine funktionierende Landwirtschaft – und nicht weitere Flächen für den Artenschutz ausscheiden.»

Eine Biene auf eine Blume
Legende: Die Biene, ein Symbol für die Biodiversität: Die Zahl der Bienen ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Artenvielfalt in der Schweiz abnimmt. Keystone/Valentin Flauraud

In den Städten hingegen dominiere ein anderes Naturverständnis, sagt Golder: «Die städtische Bevölkerung möchte die Umwelt als Erholungsraum nutzen können. Ihre Vorstellung von Natur ist romantischer, weniger wirtschaftlich getrieben. Deshalb sind die Menschen in den Städten viel eher bereit, zusätzliche Flächen für den Artenschutz zu reservieren.»

Bäuerliche Perspektive vs. Biodiversität als Grundlage

Diese unterschiedlichen Perspektiven zeigen sich auch im Abstimmungskampf: Der Schweizerische Bauernverband bekämpft die Initiative. Direktor Martin Rufer betont, die Landwirtschaft sei in erster Linie für die Produktion von Lebensmitteln da. «Wir tun schon viel für die Biodiversität und wollen nicht noch mehr Flächen hergeben», so Rufer.

Darum geht es bei der Biodiversitäts-Initiative

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Die Initiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitäts-Initiative)» wurde Anfang September 2020 vom Trägerverein «Ja zu mehr Natur, Landschaft und Baukultur» eingereicht. Die Initiative will Bund und Kantone verpflichten, die Artenvielfalt, die Landschaft und das baukulturelle Erbe besser zu schützen. Sie fordert für den Erhalt der Biodiversität mehr Flächen und mehr Gelder der öffentlichen Hand. Zahlengrössen nennt sie dabei nicht.

Auf der anderen Seite steht die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz; sie gehört zu den Initiantinnen. Franziska Grossenbacher, die stellvertretende Geschäftsführerin der Stiftung, kann die mehrheitlich ablehnende Haltung der ländlichen und bäuerlichen Bevölkerung zur Initiative nicht nachvollziehen: «Ohne intakte Biodiversität kann langfristig keine Landwirtschaft stattfinden. Darum ist es eigentlich ein Eigengoal, wenn die Landwirtschaft so gegen die Initiative spielt.»

Ungewisse Erfolgsaussichten

Doch für die Biodiversitäts-Initiative bedeutet die skeptische Haltung auf dem Land nichts Gutes. «Volksinitiativen haben nur dann eine Chance, wenn sie in der Bevölkerung breit abgestützt sind, also über ein bestimmtes Milieu hinaus Rückhalt finden», sagt Politologe Lukas Golder. Zudem nimmt die Zustimmung zu Initiativen im Lauf des Abstimmungskampfs meist ab. Deshalb vermutet Golder, dass die Biodiversitäts-Initiative an der Urne einen schweren Stand haben dürfte.

Reden Sie mit!

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Über die Biodiversitäts-Initiative diskutieren am Donnerstag, 22. August, von 10 bis 11 Uhr die folgenden Gäste in der Live-Sendung «Forum» auf Radio SRF1:

  • Franziska Grossenbacher , stellvertretende Geschäftsführerin der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Sie befürwortet die Initiative.
  • Martin Rufer , Direktor des Schweizerischen Bauernverbandes. Er lehnt die Initiative ab.

Tut die Schweiz genug, um den Artenschwund zu stoppen? Oder braucht es die Biodiversitäts-Initiative, damit künftig mehr getan wird für die Artenvielfalt? Wie sehen Sie das? Schreiben Sie uns Ihre Meinung in der Kommentarspalte.

10vor10, 16.8.2024, 21:50 Uhr;kobt

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