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Labiles Ja in SRG-Umfrage Trotz Sympathien: Biodiversitäts-Initiative droht zu scheitern

  • Am 22. September kommt die Biodiversitäts-Initiative zur Abstimmung. Derzeit wollen 51 Prozent ein Ja in die Urne legen.  
  • Bis zum Urnengang müssen Initiativen aber erfahrungsgemäss Federn lassen: Der Vorsprung könnte sich als zu knapp erweisen.
  • Die zweite Abstimmungsvorlage, die BVG-Reform , startet ebenfalls mit einer Ja-Mehrheit.

Die freundliche Biene am Balkon, das dröhnende «Nein!» auf dem Acker: Landauf, stadtab weibeln Befürworter und Gegnerinnen für die Biodiversitäts-Initiative – und das schon seit geraumer Zeit.

Der Abstimmungskampf wurde jedoch erst im Juni so richtig vom Initiativkomitee lanciert. Eine traditionell schwierige Aufgabe in den Sommermonaten.

Darum geht es bei der Biodiversitäts-Initiative

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Blumenwiese neben Strasse
Legende: Keystone/Valentin Flauraud

Die Initiative «Für die Zukunft unserer Natur und Landschaft (Biodiversitäts-Initiative)» wurde Anfang September 2020 vom Trägerverein «Ja zu mehr Natur, Landschaft und Baukultur» eingereicht. Die Initiative will Bund und Kantone verpflichten, die Artenvielfalt, die Landschaft und das baukulturelle Erbe besser zu schützen. Sie fordert für den Erhalt der Biodiversität mehr Flächen und mehr Gelder der öffentlichen Hand. Zahlengrössen nennt sie dabei nicht.

Schutzgebiete von gesamtschweizerischer Bedeutung müsste der Bund festlegen und kantonale Schutzgebiete die Kantone. Ausserdem verlangt die Initiative, die Natur, vielfältige Landschaften und schöne Ortsbilder auch ausserhalb von Schutzgebieten zu schonen.

Auf den ersten Blick scheint die Vorlage auf Kurs. «Ein derart knapper Vorsprung ist bei Initiativen aber ein deutliches Zeichen, dass es noch weiter nach unten gehen kann», sagt Lukas Golder vom Forschungsinstitut GFS Bern, das die Umfrage im Auftrag der SRG SSR durchgeführt hat. Denn Volksinitiativen geniessen oft Anfangssympathien – dann aber rücken vermeintliche Schwächen der Vorlage in den Fokus.

Mit Blick auf die Parteienlandschaft zeigt sich ein bekanntes Muster: Bei den Anhängerschaften der SP und der grünen Parteien ist die Unterstützung für die Umweltvorlage gross; die ablehnende Haltung im bürgerlichen Lager nimmt von Mitte bis SVP stetig zu.

Dabei wissen die Initianten argumentativ durchaus zu überzeugen: Drei Viertel der Befragten beurteilen die Folgen der Umweltzerstörung als gravierend, zwei Drittel betrachten die Natur durch intensive Landnutzung als gefährdet und eine knappe Mehrheit fürchtet horrende Kosten durch das Artensterben.

Sympathisch, aber…

Die Nein-Argumente sind umstrittener. 54 Prozent sehen die Landwirtschaft unter Druck, wenn die Schutzflächen ausgebaut werden. 50 Prozent sehen ein Problem beim Wohnraum, wenn die Vorschriften von Neubauten verschärft werden.

Die Umfrage zeigt auch, dass viele Stimmberechtigte eine Grundsatzfrage beschäftigt: Wie gross ist das Problem mit der Biodiversität wirklich? «Verursacht es Kosten in Milliardenhöhe oder unternehmen Bund und Kantone schon genug?», fasst Golder zusammen. Diese Unklarheiten könnten am Ende dazu führen, dass die Initiative scheitert: Denn für ein Ja braucht es die Gewissheit, dass etwas getan werden muss.

Den Abstimmungsentscheid beeinflussen könnte auch die wirtschaftliche und politische Grosswetterlage. Kriege, eine fragile Wirtschaft, hohe Mieten, explodierende Krankenkassenprämien – all das beschäftigt derzeit viele Menschen. Grundsätzlich sei das Umweltbewusstsein zwar nach wie vor breit in der Bevölkerung verankert, erklärt Golder. «Das Sicherheitsbedürfnis hat aber zugenommen, und das hat die grüne Welle in den letzten Wahlen markant abgeschwächt.»

Der Geschlechtergraben

Bemerkenswert ist auch, dass Frauen dem Umweltanliegen offener gegenüberstehen als Männer. Laut dem Politologen ist dies ein bekanntes Phänomen, das sich schon bei vielen vergleichbaren Vorlagen gezeigt hat.

Wie stark der Problemdruck empfunden wird, ist auch vom Wohnort abhängig. «Wenn man nur in den Städten oder den Agglomerationen abstimmen würde, könnte man ein Ja erwarten», sagt Golder. «Man möchte die Umwelt als Erholungsraum nutzen und hat eine eher nostalgische Vorstellung von Natur.»

Auf dem Land ist der Widerstand gegen die Initiative dagegen gross. Die wirtschaftliche Sicht dominiert. «Hier ist die bäuerliche Optik sehr wichtig», führt der Politologe aus. «Man will gute Erträge, eine funktionierende Landwirtschaft und keine allzu grossen Konzessionen bei Schutzflächen.»

Links-rechts, Frau-Mann, Stadt-Land: Bei der Biodiversitäts-Initiative tun sich so einige Gräben auf. Folgt alles dem gewohnten Drehbuch, dürfte sie es schwer haben: Neun von zehn Volksinitiativen werden nämlich abgelehnt. «Wenn der übliche Verlauf eintritt, verliert die Initiative noch mindestens zehn Prozentpunkte Zustimmung. Dann sieht es schlecht aus», schliesst Golder.

Die Eckwerte der SRG-Umfrage

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Die Umfrage zu den Abstimmungen vom 22. Septmber 2024 ist im Auftrag der SRG SSR vom Forschungsinstitut GFS Bern zwischen dem 29. Juli und 12. August 2024 durchgeführt worden. Insgesamt wurden die Antworten von 12’332  Stimmberechtigten für die Auswertung berücksichtigt.

Telefonische Befragung

Telefonisch befragt wurden 1’205 stimmberechtigte Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Die Interviews wurden per Festnetz und Handy durchgeführt. Diese Stichprobe ist sprachregional gewichtet und repräsentativ für die Schweizer Stimmberechtigten. Der statistische Fehler beträgt  ±  2.8 Prozentpunkte.

Bei 1’205 Befragten und einem Ergebnis von 50 Prozent liegt der effektive Wert mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit zwischen 47.2 und 52.8 Prozent. Dabei sind kleinere Abweichungen wahrscheinlicher, grössere unwahrscheinlicher.

Online-Befragung

Zusätzlich wurden Personen online befragt. Die Teilnehmenden wurden dazu über die Webportale der SRG rekrutiert. Nach der Bereinigung und Kontrolle der Daten konnten die Angaben von 11’127 Stimmberechtigten für die Auswertung verwendet werden.

Da sich die Teilnehmenden der Umfrage selber rekrutieren (sogenanntes Opt-in-Verfahren), ist die Zusammensetzung der Stichprobe nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit. So nehmen zum Beispiel typischerweise mehr Männer als Frauen an politischen Umfragen teil.

Diese Daten werden aber mittels Gewichtungen an die realen Verhältnisse der Stimmberechtigten angenähert. Es werden dabei räumliche (Wohnort), soziodemografische (Alter oder Geschlecht) und politische Gewichtungsfaktoren eingesetzt. Durch diese Gewichtung wird die Repräsentativität der Stichprobe optimiert. Ziel ist, die Stichprobengrösse in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz zu erhöhen.

Den gesamten Bericht zur SRG-Umfrage finden Sie auf der Seite von GFS Bern.

Heute Morgen, 16.08.2024, 6 Uhr

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