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BVG-Reform deutlich versenkt Eine herbe Niederlage für Bürgerliche und Wirtschaft

Die Niederlage ist überdeutlich: Ein Nein-Anteil von 68 Prozent gemäss Hochrechnung und in keinem einzigen Kanton dürfte es ein Ja zur BVG-Reform geben. Dass sie so deutlich abgelehnt wird, ist eine Überraschung. Diese Abstimmungsniederlage nun zum grossen Sieg der Gewerkschaften und der Linksparteien zu erklären, greift aber zu kurz. Das bürgerliche Lager und die Wirtschaft waren selbst uneins – und tragen deshalb eine Mitschuld an ihrer eigenen Niederlage.

Für sie hat es sich gerächt, dass die bürgerliche Mehrheit die Kompromissvorlage aus dem Jahr 2019 des Arbeitgeberverbands auf der einen Seite und dem Gewerkschaftsbund und Travailsuisse auf der anderen Seite verwässert hat. Schon damals gab es kritische Stimmen im Parlament. Sie sind nicht gehört worden.

Bürgerliche und Wirtschaft uneins

Das Resultat war eine BVG-Reform, die nicht mehrheitsfähig war. Weder in der Wirtschaft, in der sich wichtige Kleingewerbeverbände wie GastroSuisse, der Schweizer Bäckermeister- und Confiseurverband oder die Coiffeure gegen die Reform wehrten. Noch in den bürgerlichen Parteien, in denen sich viele an der Urne gegen die Ja-Parolen gestellt haben dürften.

Bei der SVP hatte sich die Hälfte der Basis in der letzten GFS-Umfrage gegen die BVG-Reform ausgesprochen. Ihre Wählerschaft tickt in sozialpolitischen Fragen offenbar immer mehr im Gleichschritt mit dem Gewerkschaftsbund. Das müsste der Partei zu denken geben.

Zudem war der Leidensdruck nicht genug hoch. Mehr als zwei Drittel aller Versicherten wären von der Reform nicht betroffen gewesen. Auch hätten Angestellte mit Löhnen um 80‘000 Franken, die obligatorisch versichert sind, zu den Verlierern gehört. Diese Mehrheit war offensichtlich nicht bereit, für die Minderheit im obligatorischen Bereich und für rund 70'000 Teilzeitangestellte, dieser Reform zuzustimmen.

Dritter Schiffbruch in zwanzig Jahren

Zwei Reformen der beruflichen Vorsorge sind schon vor dem heutigen Abstimmungssonntag gescheitert: Zuerst eine Reform zur Senkung des Umwandlungssatzes 2010 und 2017 die Reform Altersvorsorge 2020, welche die AHV und die berufliche Vorsorge neu aufstellen wollte.

Zwar war im vorletzten Jahr eine AHV-Reform gelungen. Bei der beruflichen Vorsorge ist dies nun zum dritten Mal gescheitert. Zurück bleiben Probleme bei jenen Kassen, die tiefe Löhne versichern und im Obligatorium unter dem hohen Mindestumwandlungssatz leiden.

Der Gewerkschaftsbund und die SP verlangen schon jetzt eine neue Reform ohne jegliche Kürzung beim Leistungsniveau. Und Betreuungsgutschriften für Eltern, welche die Kinder betreuen und deshalb im Alter keine Pensionskassenrente haben. Das wäre ein Systemwechsel in der zweiten Säule, in der bislang jeder für sich spart. Die Finanzierung dürfte schwierig werden, in einer Zeit von Milliarden-Sparprogrammen des Bundes, mehr Finanzen für die Armee und einer Mehrwertsteuererhöhung für die 13. AHV-Rente. Die Mittel sind knapp.

Hohe Hürden für eine neue Reform

Eine neue Reform wird es auch schwierig haben, weil in der beruflichen Vorsorge stets an vielen Schrauben gedreht werden muss, damit die zweite Säule ausgeglichen bleibt. Genau dadurch werden aber auch viele Fronten geöffnet, was Widerstand hervorruft. Für das Parlament wird das eine schwierige Aufgabe.

Eines ist sicher: Eine neue Vorlage muss mehrheitsfähig sein. Ansonsten dürften die Gewerkschaften, die SP und die Grünen bald ihren nächsten Sieg feiern.

Andreas Stüdli

Bundeshausredaktor

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Andreas Stüdli gehört seit August 2024 der Bundeshaus-Redaktion von Radio SRF an. Zuvor hatte er für Radio SRF von Juni 2018 bis Juli 2024 aus der Westschweiz und über das Bundesgericht berichtet. Zuvor war Andreas Stüdli für die Nachrichtenagentur SDA tätig gewesen, zuerst in Aarau für die Region Aargau Solothurn, dann in Lausanne für die Westschweiz. Seine Laufbahn begann er bei Radio 32 in Solothurn.

SRF 4 News, 22.9.2024, 15 Uhr

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