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Ja zur 13. AHV-Rente «Vorlage war so aufgesetzt, dass sie sehr vielen Menschen nützt»

Nach dem Ja zur 13. AHV-Rente ist von einem historischen Resultat die Rede. Einige sprechen gar von einer Zeitenwende oder einem Linksruck. Dem stimmt Politikwissenschaftlerin Silja Häusermann nicht ganz zu. Denn die Vorlage sei mehr als nur ein Protestvotum gewesen. Deshalb konnten auch rechte Wählende von einem Ja überzeugt werden.

Silja Häusermann

Politikwissenschaftlerin

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Häusermann ist seit 2012 Ordinariat für Schweizer Politik und Vergleichende Politische Ökonomie am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich. Sie untersucht soziostrukturellen Wandel, Ungleichheit, Veränderungen von Wahlverhalten und Parteiensystemen sowie deren Einfluss auf distributive Politik.

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SRF News: Steht das Ja zur 13. AHV-Rente für einen Wertewandel in der Schweizer Sozialpolitik?

Silja Häusermann: Ich wäre etwas vorsichtig, von einer Zeitenwende oder von einem allgemeinen Linksruck im Land zu sprechen. Die Wahlen vor kurzem haben keinen Linksruck gezeigt. Die Schweiz ist immer noch ein Land, in dem sich mehr Leute als rechts bezeichnen; und der Anteil nimmt auch eher zu.

Die Stimmenden können heute höhere Leistungen annehmen und morgen eine Finanzierung davon ablehnen.

Diese Vorlage war aber auch nicht einfach ein Protestvotum. Sondern sie hat von einem ganz speziellen Momentum und einem Kontext profitiert, auf den sie geantwortet hat. Der Kontext betrifft die gestiegenen Lebenshaltungskosten, während die Renten aus der zweiten Säule gesunken sind. Die Vorlage war so aufgesetzt, dass sie sehr vielen Menschen nützt.

Das linke Anliegen war auch dank rechten Wählerinnen und Wählern ein Erfolg. Wie konnte man die rechten Wähler ins Boot holen?

Die Veränderung ist einerseits dem Umfeld, andererseits der Vorlage selbst geschuldet. Die steigenden Lebenshaltungskosten werden bis weit in den Mittelstand gespürt. Zudem haben die letzten Jahre gezeigt, dass der Staat sehr schnell sehr grosse Mittel in die Hand nehmen kann. Das war für die Leute ein Signal, dass der politische Wille wichtig ist. Die viel zitierte Giesskanne der Vorlage hat eine Interessensallianz aus tieferen und mittleren Einkommensschichten geschaffen. Und sie hat bis weit in die höheren Einkommensschichten viel Zuspruch gekriegt.

Eine Giesskanne steht auf einem Tisch im Vorfeld des Abstimmungsergebnisses zur 13. AHV-Rente.
Legende: Die Giesskanne: In der Sprache der Bürgerlichen ist diese gleichbedeutend mit Verschwendung. Keystone/Peter Schneider

Für die Finanzierung der 13. AHV-Rente sind verschiedene Vorschläge im Gespräch. Die Vergangenheit zeigt, dass die Politik sich in diesen Fragen schwertut, Lösungen zu finden. Kann das jetzt gelingen?

Es ist eine schwierige Ausgangslage. Denn es liegt in der Natur der Sache der direkten Demokratie, dass die Stimmenden heute höhere Leistungen annehmen und morgen eine Finanzierung davon ablehnen können. Es besteht ein Risiko, dass eine Finanzierungsvorlage auch wieder durch eine Volksabstimmung muss.

Themen wie Kaufkraft oder gestiegene Lebenshaltungskosten werden auch weiterhin eine grosse Rolle spielen.

Es ist allen Parteien sehr klar, dass es eine Vorlage sein muss, hinter der möglichst viele Parteien stehen können, damit sie in der Volksabstimmung eine Chance haben kann. Und das bedeutet wahrscheinlich, dass es ein Kompromiss aus unterschiedlichen Finanzierungsquellen sein muss. Womöglich wird auch die Frage des Rentenalters wieder auf den Tisch kommen müssen.

In den nächsten Monaten kommen weitere sozialpolitische Vorlagen zur Abstimmung. Spielen die Faktoren, die zum Ja bei der 13. AHV geführt haben, wieder mit?

Die Abstimmung zur Prämien-Entlastungs-Initiative kommt schon im Juni. Es ist zu erwarten, dass diese Themen wie die Kaufkraft oder die gestiegenen Lebenshaltungskosten dort auch weiterhin eine grosse Rolle spielen werden. Nach diesem Sonntag ist die Ausgangslage für den Juni mit Sicherheit offen.

Das Gespräch führte Ali Amir.

SRF 4 News, 04.03.2024, 07:24 Uhr ; 

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