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Als Lehre aus Corona Braucht die Schweiz einen nationalen Krisenstab?

Nach den Erfahrungen in der Pandemie möchte der Nationalrat die Krisenorganisation des Bundes verbessern.

Nach den Erfahrungen in der Pandemie möchte der Nationalrat die Krisenorganisation des Bundes verbessern. Die grosse Kammer hat zum Auftakt der Herbstsession verlangt, dass künftig unter anderem festgelegt wird, wann und wie ein Krisenstab eingesetzt wird, wie er organisiert und koordiniert sein soll.

Der Bundesrat hält die Anliegen für berechtigt, verweist aber darauf, dass bereits Anpassungen des Krisenmanagements in Gang seien. Doch die grundsätzliche Frage bleibt: Warum hat die Schweiz keine ständige nationale Krisenorganisation?

Nationalrat verlangt Rechtsgrundlagen für Fach-Krisenstäbe

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Die mit der Motion geforderten Rechtsanpassungen betreffen die Einsetzung des Krisenstabes sowie die Festlegung von dessen Aufgaben, Führungsstrukturen, Schnittstellen mit dem Bundesrat und den anderen Akteuren des Krisenmanagements, finanzielle und personelle Ressourcen und auch die Kommunikation.

Der Bundesrat stellte sich gegen die Motion, auch wenn er das Anliegen für berechtigt hält. Er will die Krisenorganisation insgesamt unter die Lupe zu nehmen. Arbeiten, um den Einstieg in eine Krise zu verbessern, seien bereits im Gang, sagte Bundeskanzler Walter Thurnherr. «Es ist inzwischen bekannt, was gut lief und was weniger gut lief.»

Mit dem Anliegen wird sich – voraussichtlich in der laufenden Session – auch der Ständerat befassen.

Die Verantwortlichen in den Kantonen wollen Taten sehen. Der Bündner Regierungsrat Christoph Rathgeb, Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen, fordert einen permanenten, interdepartementalen Krisenstab: «Wir sind der Auffassung, dass jetzt diese Zeit genutzt werden sollte, diesen Schritt zu tun.»

Amherd: «Einbezug der Kantone zentral»

Zwar will auch der Bundesrat die Zeit nutzen, allerdings mit längerem Horizont. Verteidigungsministerin Viola Amherd skizzierte ihn letzte Woche so: «Die Bundeskanzlei und das VBS erarbeiten mit den anderen Departementen bis Ende März 2023 Varianten für die Organisation des Krisenmanagements des Bundes, für die strategische und operative Stufe. Der Einbezug der Kantone ist dabei zentral.»

Beim Bund ist das Silo-Denken grösser als bei den Kantonen.
Autor: André Duvillard Ehemaliger Delegierter des Sicherheitsverbunds Schweiz

Warum zieht es der Bundesrat vor, in einem kurzfristig zusammengestellten Gremium auf Krisen zu reagieren, dem «Ad-Hoc-Krisenstab»? Warum kein permanenter, eingespielter Krisenstab, wie ihn die Kantone kennen? Vor zwei Jahren begründete es der Bundesrat damit, dass er damit nicht zahlreiche Fachkräfte binden möchte.

Bundesrat vertröstet auf den Frühling

Verschiedene Krisensituationen durchgespielt und Empfehlungen abgegeben hat der Sicherheitsverbund Schweiz. Dessen ehemaliger, langjähriger Delegierter André Duvillard versteht die Position von Bund und Kantonen. Er nennt drei Hauptgründe, weshalb sich eine kantonale Krisenstruktur nicht eins zu eins auf Bundesebene übertragen lässt.

Erstens: die verschiedenen Aufgaben von Bund und Kantone. Zweitens: «In einem Kanton sind die Wege zwischen den Departementen viel kürzer. Beim Bund ist das schwieriger, das Silo-Denken grösser.» Und drittens: Die kantonalen Krisenstäbe seien regelmässig im Einsatz – wegen kantonalen Ereignissen – im Gegensatz zu jenen des Bundes.

Gewitter
Legende: Was tun, wenn dunkle Wolken über der Schweiz aufziehen? Im Parlament wird derzeit die Notwendigkeit eines nationalen Krisenstabs erörtert. Peter Schneider/Keystone

Derzeit vertröstet der Bundesrat alle, die einen ständigen Krisenstab wünschen, auf den nächsten Frühling, wenn Verteidigungsdepartement und Bundeskanzlei ihr Papier vorlegen wollen. Kurzfristig will der Bund den Kantonen offenbar dennoch etwas entgegenkommen, indem er ihnen eine zentrale Ansprechstelle schaffen will.

Info 3, 12.09.2022, 17 Uhr

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