Grundsätzlich haben Bund und Kantone die Corona-Pandemie gut bewältigt. Zu diesem Schluss kommt der 136 Seiten starke externe Evaluationsbericht , der die erste Phase der Corona-Pandemie bis im Sommer 2021 unter die Lupe nimmt. «Zeitgerecht und angemessen» hätten Bund und Kantone auf die Krise reagiert.
Doch das Papier listet auch Versäumnisse der Behörden auf. BAG-Direktorin Anne Lévy, die ihr Amt erst sieben Monate nach Bekanntwerden des ersten Corona-Falls in der Schweiz angetreten hat, gesteht im «Tagesgespräch» Fehler ein. «Wie die ganze Welt waren auch wir schlecht vorbereitet.»
Die BAG-Chefin stellt allerdings infrage, ob man sich auf eine solche Krise überhaupt vorbereiten kann. «Man kann es unbestritten besser machen. Aber das Unvorhersehbare, die ständigen Veränderungen – all das macht am Ende eine Krise aus.»
Neue Corona-Massnahmen im In- und Ausland, neue wissenschaftliche Erkenntnisse, neue Mutationen – immer wieder überschlugen sich die Ereignisse. Das BAG habe oft innerhalb von Stunden reagieren und dem Bundesrat Entscheidgrundlagen unterbreiten müssen. «Das war eine grosse Leistung und ich bin froh, dass das die Evaluation auch so bestätigt», sagt Lévy.
Insgesamt zeigt sich Lévy beeindruckt, wie die Pandemie bewältigt wurde. Sie betont insbesondere das Engagement und die Professionalität beim BAG. «Das ist das, was uns die Evaluation attestiert: Wir haben einen guten Job gemacht, auch wenn es Verbesserungspotenzial gibt. Alles andere wäre aber auch erstaunlich.»
Kritik am Corona-Management der Behörden war lange an der Tagesordnung und traf oft auch das BAG. Insbesondere bei der Digitalisierung. Hier sei «vieles verbesserungswürdig», streicht auch die externe Evaluation heraus. Auch diese Kritik kann Lévy nachvollziehen.
Aber: Das BAG habe bei der Grossbaustelle Digitalisierung im Gesundheitswesen vorwärts gemacht: So sei etwa das vielgescholtene Meldesystem via Fax rasch aufgelöst und automatisiert worden; oder auch das Covid-Zertifikat sei allen Unkenrufen zum Trotz innerhalb von wenigen Wochen aufgezogen worden.
Rückblickend teilt Lévy die Kritik an den Schulschliessungen. Sie erinnert aber daran, dass zu Beginn der Pandemie noch vieles unklar gewesen sei. «Man hat nur gesehen, dass im Ausland viele Menschen starben oder schwer erkrankten und das Gesundheitssystem überlastet war.»
In dieser Notsituation sei getan worden, was man für nötig erachtete. «Man hat zugemacht, wollte die Bevölkerung schützen – und schloss auch die Schulen.» Das habe man später nicht mehr gemacht, während viele Länder an den Schliessungen festhielten.
Wir wussten anfangs ja nicht einmal, wie man Covid behandelt. Eine neue Krankheit, über die man nichts weiss, ist wirklich gefährlich.
Lévy anerkennt auch die psychischen Belastungen der Shutdowns. Gerade für die junge Generation: «Man hat schnell gemerkt, dass die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stark gelitten hat.» Darum habe der Bundesrat Jugendlichen frühzeitig mehr Freiheiten gegeben; etwa bei der Ausübung von Sport oder der Öffnung von Jugendtreffs.
Die Gefährlichkeit des Virus habe man aber nicht überschätzt, stellt Lévy klar. «Wir wussten anfangs ja nicht einmal, wie man Covid behandelt. Eine neue Krankheit, über die man nichts weiss, ist wirklich gefährlich.»
Allmählich hätten die besseren Therapien, Medikamente und vor allem die hochwirksamen mRNA-Impfstoffe Öffnungen ermöglicht, schliesst Lévy. «Zu Beginn der Pandemie hätte man aber etwas mutiger sein können, auch weltweit.» Es sei zu wenig daran gedacht worden, für welche Bevölkerungsgruppen die Massnahmen besonders schwierig seien.