Ein moderner Bau an der Europaallee, im urbanen Betonquartier direkt beim Zürcher Hauptbahnhof. Hier hätten wohlhabende Senioren ihr Glück finden sollen. In Luxus-Appartments zum Preis zwischen 7000 und 15'000 Franken pro Monat. Mit Reception, Sterne-Restaurant und Wellness-Bereich. Die Rechnung ist nicht aufgegangen.
Inzwischen mussten wir feststellen, dass eine derartige Entwicklung nicht absehbar ist.
«Seinerzeit hatten wir die begründete Hoffnung, dass die Nachfrage nach Wohnungen mit umfassenden Dienstleistungen an zentralster Lage zunehmen würde. Inzwischen mussten wir feststellen, dass eine derartige Entwicklung nicht absehbar ist», sagt Jörg Denzler, Medienbeauftragter der «di Gallo»-Gruppe, welche die Luxus-Altersresidenz betreibt. Deshalb schliesst die Residenz im kommenden Jahr ihre Tore.
Standort ist entscheidend
Immobilienexperte Donato Sconamiglio wertet die Pläne der Gustav-Betreiber als Fehleinschätzung, wie er gegenüber «10vor10» sagt: «Man hat sich komplett getäuscht.» Man müsse sich auch überlegen, ob das Quartier per se altersgerecht sei und welche alten Leute in so einem eher sterilen Umfeld so viel Geld ausgeben wollten. «Das heisst nicht, dass man solche Dinge nicht probieren soll. Gewisse Risiken geht man ein, aber insgesamt hat man es falsch eingeschätzt.»
Es gibt aber auch Beispiele, die offenbar funktionieren. Die Tertianum-Gruppe betreibt 77 Alters- und Pflegeheime in der Schweiz. 14 davon sind Residenzen. Das Angebot ist deutlich günstiger als das gescheiterte Gustav, liegt aber immer noch im gehobenen Bereich. Eine Alterswohnung kostet hier zwischen 5000 und 8000 Franken pro Monat. Inbegriffen sind Essen, Reinigung und eine 24-Stunden-Notfallbetreuung.
Die Tertianium-Residenz «Im Brühl» in Zürich-Höngg ist zu 100 Prozent ausgelastet. «Wir haben den Vorteil, dass wir sehr quartierbezogen sind. Die Leute, die bereits in Höngg gelebt haben, möchten im Quartier bleiben. Das ist ein grosser Pluspunkt für uns», sagt Geschäftsführer Beat Schmid.
Neue Wohnformen gefragt
Trotzdem: Wohnen in teuren Residenzen kann sich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung leisten. Viel mehr Menschen sind auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen. Und es werden immer mehr. Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen: Gab es 2017 noch 1.6 Millionen Menschen im Alter von 65+, werden es 2045 2.7 Millionen sein.
In der Politik, in der Verwaltung und in ganz vielen Organisationen ist man viel zu wenig kreativ und hat noch nicht realisiert, was auf uns zukommt, auch was die Kosten betrifft.
Die Schweiz sei dafür nicht bereit, sagt Margrit Hugentobler. Die Wohnforscherin beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit den Trends zum Wohnen im Alter. «In der Politik, in der Verwaltung und in ganz vielen Organisationen ist man viel zu wenig kreativ und hat noch nicht realisiert, was auf uns zukommt, auch was die Kosten betrifft.»
Es brauche dringend neue Modelle, beispielsweise Wohnformen, in denen mehrere Generationen zusammenleben, Modelle, welche Unterstützung im Alltag zuhause anbieten und mehr hindernisfreie Wohnungen an gut erschlossenen Lagen. «Es braucht noch ganz viel», so Hugentobler.
Am jetzigen Standort der Gustav-Residenz wird dies nicht geschehen. Die Betreiberfirma gibt das Gebäude an die SBB zurück, die Eigentümerin der Liegenschaft. Diese wird die Luxus-Appartements weiterhin zu vergleichbaren Konditionen vermieten – aber ohne Serviceleistungen.