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Andere Demonstrationskulturen Demonstrieren die Romands friedlicher als die Deutschschweizer?

Basel, Bern und Zürich verbieten dieses Wochenende Nahost-Kundgebungen. Die Sicherheitslage sei zu heikel, heisst es bei den zuständigen Stellen. Anders sieht es in der Westschweiz aus, dort wird auch dieses Wochenende fleissig demonstriert werden. Warum?

«Wir sind alle Palästinenser», skandierten die rund 4500 Demonstrierenden am Donnerstagabend in Lausanne. Ohne Zwischenfälle gaben die Demonstrierenden lautstark ihre Unterstützung für das palästinensische Volk kund, brüllten aber auch israelfeindliche Slogans. Im Gegensatz zur Deutschschweiz sind auch am kommenden Wochenende in der Westschweiz weitere Pro-Palästina-Kundgebungen geplant.

Menschen mit Flaggen
Legende: Die Pro-Palästina-Kundgebungen in Lausanne sind reibungslos abgelaufen. Die meisten Demonstrationen in der Westschweiz verlaufen ohne Probleme. KEYSTONE/Jean-Christophe Bott

So soll in Lausanne am Samstag eine weitere propalästinensische Kundgebung stattfinden. Die Stadt Lausanne schreibt auf Anfrage von SRF, die Demonstration am Donnerstagabend sei ohne jegliche Probleme abgelaufen. Man habe im Vorfeld keine konkreten Anhaltspunkte gehabt, dass es Sicherheitsprobleme geben könnte und man die Veranstaltung verbieten müsse. Die Polizei beobachte die Sicherheitslage in diesem Zusammenhang weiterhin besonders aufmerksam.

Eine andere Demonstrationskultur in der Romandie

Wie kommt es zu dieser unterschiedlichen Auffassung der Sicherheitslage auf der anderen Seite des Röstigrabens? Dieser unterschiedliche Umgang habe viel mit einer anderen Demonstrationskultur in der Romandie zu tun, sagt SRF-Westschweizkorrespondentin Felicie Notter: «Hier in der Romandie ist die Toleranz für den Ausdruck der Meinungsfreiheit generell gross.»

Fast überall in der Deutschschweiz sind Demonstrationen verboten

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Zuerst sollte es in Basel eine Mahnwache für die israelischen Opfer der Hamas geben, dann wollten diejenigen demonstrieren, die sich für die Palästinenser einsetzen. Die Stadt Basel hat beide Demonstrationen verboten. Zu heikel.

Die Kundgebung, die am Freitagabend in Zürich stattfand, war nicht bewilligt worden. Rund 500 Personen zogen von der Stadtpolizei bewacht durch den Kreis 4. Die rund einstündige Demo blieb ruhig.

Bern hat eine Kundgebung am Samstag verboten. Schaffhausen hingegen würde Demonstrationen zulassen, ein Gesuch sei aber nicht eingegangen, sagt der Stadtpräsident Peter Neukomm gegenüber den «Schaffhauser Nachrichten».

Demonstrationen hätten einen hohen Stellenwert, auch wegen des kulturellen Einflusses Frankreichs, so Notter. Im Gegensatz zur Deutschschweiz komme es bei Demonstrationen in der Romandie auch zu weniger Gewalt. Etwa am 1. Mai, wo es in der Deutschschweiz fast schon traditionellerweise zu Ausschreitungen kommt. «Es gibt hier kein solches Gewaltproblem.»

Zudem gebe es schlicht keine gewalttätigen Kerngruppen – keinen Schwarzen Block –, die am Rande von Demonstrationen die Gewalt eskalieren liessen. «Ganz allgemein sind Demos hier sehr häufig – und kaum mit Gewalt verbunden», fügt Notter an.

«Die Stimmung ist sehr angespannt»

Beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund SIG ist man froh über das Demonstrationsverbot in der Deutschschweiz, obschon auch jüdische Kundgebungen darunter fallen. «Die Sicherheit geht vor», sagt der Generalsekretär des SIG, Jonathan Kreutner. Er habe in den letzten zwei Wochen eine Zunahme von antisemitischen Aktionen feststellen müssen. Es sei innerhalb von neun Tagen zu drei Tätlichkeiten gegenüber jüdischen Menschen gekommen. «Das kennen wir in der Schweiz so nicht.» Auch deshalb habe sich der SIG für die Demonstrationsverbote öffentlich starkgemacht.

Dass aus Worten Taten folgen können, das haben wir in den letzten Tagen schmerzlich erfahren.
Autor: Jonathan Kreutner Generalsekretär Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund

Laut Kreutner habe die Eskalation im Nahen Osten noch gar nicht richtig begonnen. «Die Stimmung ist trotzdem schon sehr angespannt.» Es sei nicht an der Zeit, diese Stimmung weiter anzuheizen. Bei allfälligen Kundgebungen fürchtet Kreuter, es könnte zu Hassparolen und Gewaltaufrufen gegenüber Juden kommen. «Dass aus Worten Taten folgen können, das haben wir in den letzten Tagen schmerzlich erfahren.»

Dass die Sicherheitslage in der Romandie und in der Deutschschweiz eine andere ist, glaubt Kreutner nicht. «Letztlich ist es ein Abwägen der Rechtsgüter.» Auf der einen Seite stehe die Versammlungs- und Meinungsfreiheit, auf der anderen die Sicherheit. «Am Schluss ist es eine politische Entscheidung, wie die Güter gewichtet werden.»

Demonstrationsverbote müssen gute Gründe haben

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Für den Professor für Staatsrecht an der Universität Zürich, Felix Uhlmann, ist klar: Ob eine Demonstration verboten werden darf oder nicht, müsse immer im Einzelfall geprüft werden.

Die rechtliche Antwort hänge davon ab, wie die Sicherheitslage im konkreten Fall wirklich sei, so Uhlmann.

Gegenüber pauschalen Verboten ist Uhlmann skeptisch: «Ein pauschales Verbot muss durch eine wirklich bedrohliche Sicherheitslage gerechtfertigt sein oder die Polizei muss damit rechnen, dass wirklich schwere Straftaten an dieser Demonstrationen stattfinden werden.»

Tagessschau, 20.10.2023, 19:30 ; 

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