Etwa 1000 Personen werden von den 188 Tankstellen im Tessin beschäftigt. Sie arbeiten an den Zapfsäulen, in den Shops, den dazugehörigen Restaurants und Bars sowie an den Kassen.
Seit März hat Italien die Steuern und Abgaben auf Treibstoffe deutlich reduziert. So stark, dass der Liter Benzin auf der italienischen Seite der Grenze bis zu 30 Rappen günstiger ist als im Tessin. Mit drastischen Folgen für die Betreiber hierzulande: Die Benzinverkäufe an Tankstellen in Grenznähe sind bis zu 90 Prozent eingebrochen. Erste Tankstellen machen dicht.
250 Arbeitsplätze gefährdet
Italien verbilligt das Benzin seit dem 22. März 2022. Seither hat die alte und jetzt auch die neue Regierung Italiens unter der Führung von Giorgia Meloni die Benzinverbilligung immer wieder erneuert. Insgesamt subventioniere Italien die Treibstoffe mit 6.4 Milliarden Euro – die bei Steuereinnahmen fehlen –, rechnet die italienische Zeitung «Gazzetta» vor. Eine Abkehr dieser Politik ist nicht absehbar.
Dies mache es für die Tessiner Tankstellenbetreiber unmöglich zu planen, sagt Matteo Centonze, Präsident der Tessiner Tankstellenvereinigung. Insbesondere die Tankstellenbetreiber in Grenznähe hätten massiv an Umsatz verloren. Er rechnet damit, dass 2022 nur 170 statt 360 Millionen Liter Treibstoff wie im Vorjahr verkauft werden. Kurz vor den Grenzübergängen bei Chiasso, Stabio oder Brissago ist die Tankstellendichte sehr hoch.
Bei diesen Tankstellen fehlen insbesondere die gut 77'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die nun nicht mehr im Tessin, sondern in Italien ihren Tank füllen. Matteo Centonze rechnet damit, dass bis zu 40 dieser Tankstellen schliessen müssen und ungefähr 250 Personen ihre Arbeit verlieren könnten. Ein grosser Teil der Tankstellen-Angestellten sind Grenzgängerinnen und Grenzgänger.
Kehrtwende bei der Kurzarbeit
Besonders betroffen ist die Piccadilly-Gruppe, die 40 Tankstellen vor allem in Grenznähe betreibt. Um Personalkosten zu senken, hat die Gruppe in mehreren Tankstellen von Zwei- auf Ein-Schicht-Betrieb umgestellt und die Öffnungszeiten verkürzt.
Piccadilly und weitere unabhängige Tankstellenbetriebe haben für einige Angestellte beim Kanton Kurzarbeitsentschädigungen beantragt und diese für sechs Monate erhalten. Weitere Anträge will der Kanton nun aber nicht mehr bewilligen. Für Arbeitsausfälle, die nicht durch ein «normales Geschäftsrisiko» bedingt seien, würden keine Kurzarbeitsentschädigungen gewährt, schreibt der Kanton auf Anfrage.
Tankstellen-Präsident Matteo Centonze widerspricht. Es sei keinesfalls Unternehmensrisiko, sondern unlauterer Wettbewerb, wenn Italien die Steuern herabsetze. Die Piccadilly-Gruppe hat gegen den Entscheid des Kantons rekurriert.
Appell an die Politik
Der Präsident der Tessiner Tankstellenbetreiber Matteo Centonze macht die Politik fürs Tankstellensterben im Tessin verantwortlich. Solange Italien nicht aufhöre, Benzin zu verbilligen, werde man das Personal nicht weiterbeschäftigen können. Er fordert, dass zumindest im Tessin Treibstoff vergünstigt werde. Beispielsweise mit einer Rabattkarte für die Tessinerinnen und Tessiner.
Aber auch in Bundesbern soll sich etwas bewegen: Derzeit ist eine Anfrage von SVP-Nationalrat Piero Marchesi, die Mehreinnahmen an Mehrwertsteuern auf Benzin an die Senkung des Benzinpreises binden möchte, noch unbehandelt.