Vor knapp einem Jahr erlitt Verkehrsminister Albert Rösti an der Urne eine bittere Niederlage: Das Stimmvolk sagte mit 52.7 Prozent Nein zum geplanten Autobahnausbau. Unmittelbar danach wurde zudem bekannt, dass der Ausbau der Bahninfrastruktur um Milliarden teurer werden dürfte. Nun soll ein von Rösti in Auftrag gegebenes Gutachten der ETH-Zürich eine neue Diskussionsgrundlage bieten für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur bis 2045.
Besonders umstritten: Im Bericht werden Autobahnausbauprojekte zur Realisierung empfohlen, die letztes Jahr vom Stimmvolk abgelehnt wurden. Für Grünen-Nationalrätin Florence Brenzikofer ist das «inakzeptabel», SP-Nationalrätin Gabriela Suter findet das Vorgehen sogar «demokratiepolitisch problematisch».
Rösti weist Kritik am Gutachten zurück
Im Interview mit dem «Arena»-Moderator weist Albert Rösti die Kritik zurück: «Das ist ein normaler Prozess in einer direkten Demokratie. Bei der Abstimmung ging es um sechs Projekte und man kann nicht sagen, dass ein einzelnes Projekt auch abgelehnt worden wäre.» Zudem seien die Projekte nach unabhängigen, wissenschaftlichen Kriterien beurteilt worden und die Parteien könnten immer noch Stellung nehmen.
Mitte-Nationalrat Philipp Kutter findet die Reaktion von SP und Grünen falsch. Beim Gutachten gehe es um viel mehr als einzelne Projekte: «Jetzt geht es darum, was wir in den nächsten 20 Jahren bauen.» Der Bericht sei ein gutes Gesamtkonzept, das Strasse und Schiene zusammen denke, sagt Kutter.
Unverständnis auch bei SVP-Nationalrat Christian Imark: Der Bericht priorisiere den Ausbau der Bahninfrastruktur und des ÖV gegenüber der Strasse; er verstehe deshalb nicht, weshalb die Linke immer noch «jammere». Diese Gewichtung sei wahrscheinlich auch in der Bevölkerung breit akzeptiert, aber: «Man kann nicht einfach null in die Strasse investieren.» Denn der Stau auf den Strassen koste das Gewerbe enorm viel Geld und gehe zulasten des Wohlstands.
Tempo 30 erhitzt Gemüter
Ebenso hitzig wird in der «Arena» über eine vom Bund geplante Verordnung diskutiert. Diese sieht vor, dass Tempo 30 auf sogenannt verkehrsorientierten Strassen künftig nur noch in begründeten Ausnahmefällen möglich wäre – etwa aus Lärmschutzgründen. Der Städteverband und der Verkehrs-Club der Schweiz kritisieren das Vorgehen und sehen darin eine politische Bevormundung der Gemeinden. Mitte-Nationalrat Philipp Kutter, der auch Stadtpräsident von Wädenswil ist, findet die Kritik berechtigt. Ein Eingreifen des Bundes in solche Details sei nicht nötig, er müsse aber zugeben: «Gewisse Städte haben es auch ein wenig übertrieben mit der Einführung von Tempo 30 und dadurch eine Grundsatzdiskussion provoziert.»
Auch SVP-Nationalrat Imark sieht die Verordnung als Reaktion auf den Ausbau von Tempo 30 in Städten. Mit einer Abschaffung der Gemeindeautonomie habe das nichts zu tun. Gemeinden könnten immer noch Tempo 30 einführen, lediglich die Hürde sei höher.
Grünen-Nationalrätin Brenzikofer und SP-Nationalrätin Suter, die auch Präsidentin der Lärmliga ist, befürworten einen Ausbau von Tempo 30 in den Gemeinden. Es sei eine der effizientesten Massnahmen, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen und die Lärmbelastung zu reduzieren.