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Armeefinanzen in Schieflage Armeechef geht in die Offensive – Politik fordert weitere Klärung

Der Schweizer Armee fehlt mehr als eine Milliarde Franken. Nun nahmen Armeechef Süssli und Bundesrätin Amherd Stellung.

Der Armee fehlt mehr als eine Milliarde Franken, weil sie mehr Rüstungsgüter eingekauft hat als geplant. Das zeigen Recherchen von Radio SRF. Am Vormittag gaben Armeechef Thomas Süssli und Verteidigungsministerin Viola Amherd den Sicherheitspolitikerinnen und Politikern im Parlament Auskunft.

Viola Amherd
Legende: Verteidigungsministerin Amherd stellte im Bundeshaus in Abrede, dass es ein Finanzloch bei der Armee gebe. Keystone/Anthony Anex

«Im Moment gibt es nicht mehr dazu zu sagen. Ausser, dass es in den Armeefinanzen keine Lücke gibt»: Das war die einzige Reaktion von Bundespräsidentin Amherd zu ihrem Auftritt vor der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats. Alles halb so schlimm?

SP-Ständerätin Franziska Roth sagte, sie brauche noch mehr Unterlagen und Informationen: «Ich bin noch nicht definitiv überzeugt. Gewisse Bedenken konnten etwas abgeschwächt werden. Aber für mich ist die Sache noch nicht gegessen.» Auch ihr Ratskollege Werner Salzmann von der SVP tönte noch nicht ganz zufrieden: «Wir sind noch nicht hundertprozentig überzeugt. Wir brauchen noch Unterlagen.»

Im schlimmsten Fall kann der Liquiditätsengpass dazu führen, dass Projekte verschoben, forciert oder Bestellungen im allerschlimmsten Fall annulliert werden müssen.
Autor: Thomas Süssli Armeechef

Überzeugt gab sich jedoch Armeechef Süssli am Nachmittag. Vor den Bundeshausmedien erklärte er, wie die Armee ihre Rüstungsausgaben plane und finanziere. Eine Finanzlücke mit einer Zahl von 1.2 Milliarden Franken sei der Armee zwar nicht bekannt. Doch Süssli räumte ein: «Es besteht ein Liquiditätsengpass. Wir suchen nach Lösungen, um diesen zu begleichen. Im schlimmsten Fall kann es dazu führen, dass Projekte verschoben, forciert oder Bestellungen im allerschlimmsten Fall annulliert werden müssen.»

Dazu gekommen ist es unter anderem, weil die Armee viel früher mit zusätzlichen Milliarden gerechnet hat – unter dem Eindruck des Ukraine-Kriegs hat das Parlament das Armeebudget kräftig aufgestockt. Die Armee rechnete deshalb mit mehr Geld für ihre Rüstungskäufe. Doch wegen der prekären Finanzlage des Bundes verlangsamte das Parlament die zusätzlichen Milliarden für die Armee um mehrere Jahre.

«Aufgrund des Ukraine-Kriegs und der geplanten Erhöhung des Budgets bis 2030 wurde die Planung höher angesetzt als ursprünglich angedacht», so der Finanzchef Verteidigung, Gerhard Jakob, vor den Medien. Die Rüstungsfinanzierung für 2024 sei jedoch sichergestellt.

Süssli spricht von üblichem Vorgehen

Für die weiteren Jahre könnten fällige Zahlungen für Rüstungskäufe auf später verschoben werden, so Armeechef Süssli: «Es ist die Norm, dass bewilligte Verpflichtungskredite aus Rüstungsprogrammen über mehrere Jahre gestaffelt abbezahlt werden. Wir haben auch heute noch Verpflichtungen aus Rüstungsprogrammen offen, so etwa aus 2013.»

Die versprochenen Gelder werden also auf verschiedene Jahre verteilt. Das sei ein üblicher Prozess bei der Rüstungsplanung: Man verhandle mit Lieferanten und passe die Mechanismen an. «Für das Jahr 2025 werden im Liquiditätsmanagement wiederum Verhandlungen mit Lieferanten notwendig sein und Lösungen zur Stundung der Zahlungen müssen gesucht werden. Dies kann im schlimmsten Fall zu verspäteten Lieferungen und Verzögerungen in Projekten führen.»

Erschwerend komme dazu, dass seit vielen Jahren die Betriebsausgaben, die Teuerung und die Kosten für die Digitalisierung ansteigen würden. «Dieser Prozess des jährlichen Voranschiebens, Verhandelns und der Lösungssuche wird sich noch bis mindestens ins Jahr 2028 wiederholen.» Aufgrund dieser Umstände hat die Armee einen Engpass bei der Liquidität. Das Aufschieben des Beschaffungsprozesses geht also noch jahrelang weiter.

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Armeechef Thomas Süssli relativiert die Finanzprobleme der Armee. Wie gross sind sie denn jetzt?

Süssli hat die Finanzlücke bei der Armee heute bestätigt. Er nennt sie bloss anders – nämlich Liquiditätsengpass. Allein dieses Jahr fehlen der Armee 800 Millionen Franken, um Rüstungslieferanten zu bezahlen. Auch nächstes und übernächstes Jahr reicht das Geld nicht. Es gibt eine Lücke von insgesamt über einer Milliarde Franken. Für dieses Jahr hat die Armee Zahlungen an die Rüstungsindustrie mit Verhandlungen strecken können – und ist so aus dem Schneider. Aber: Die Armeeführung hat heute erstmals bestätigt, dass sie für die kommenden Jahre wegen der Finanzlücke auch einen Abbruch beschlossener Rüstungsprojekte nicht ausschliessen kann.

Warum spricht der Armeechef davon, dass die Liquiditätsklemme «kein Drama» sei?

Er ist bemerkenswert zuversichtlich, dass die Armee alle Zahlungen wird aufschieben können. Eher im Kontrast zu Süsslis Optimismus steht die Tatsache, dass Rüstungskäufe eventuell gestrichen oder abgebrochen werden müssen. Der Armeechef konnte heute nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob der Bundesrat in den nächsten Wochen überhaupt das bisher geplante, nächste Rüstungsprogramm des laufenden Jahres vorlegen wird – oder ob das Geld dafür schlicht nicht da ist.

Die Armee ist von ihrer eigenen Planung abgewichen und hat seit Jahren höhere Rüstungskäufe getätigt als letztlich finanzierbar. Gab es dazu heute Erklärungen?

Dafür gab es zwei Erklärungen: Offenbar wollte die Armee vor einigen Jahren auf ein Volks-Nein zum neuen Kampfjet vorbereitet sein und hat quasi Ersatzrüstungskäufe eingeplant, damit kein Geld bei einem Nein ungenutzt bleibt. Bekanntlich sagte das Volk dann aber Ja zum neuen Kampfjet. In Bezug auf das letzte Jahr macht der Armeechef geltend, man habe aufgrund eines ersten Parlamentsentscheids erwartet, dass die Armee rascher mehr Geld erhält. Allerdings war zum Zeitpunkt der Verabschiedung dieses Rüstungsprogramms durch den Bundesrat schon klar, dass dieser einen so raschen Anstieg der Finanzen nicht will. Dem hat sich später auch das Parlament angeschlossen. Deshalb fehlt jetzt Geld.

Die abrupte Absage der Flugschau Air Spirit 2024 und weiterer Anlässe letzte Woche hat für viele Schlagzeilen gesorgt. Wie hat sich der Armeechef hier erklärt?

Er hat eingestehen müssen, dass die Armee mit der Absage der grossen Flugschau von diesem Jahr unter dem Strich wohl gar kein Geld spart. Denn viel von den geplanten 400'000 Franken ist schon ausgegeben oder fällt zwingend zur Zahlung an – trotz der Absage. Dieses Eingeständnis dürfte noch zu reden geben. Armeechef Süssli argumentiert, man habe ein ganzes Paket an Anlässen abgesagt und dies spare insgesamt über drei Millionen Franken. So sei das Budget für den Armeebetrieb erst ins Lot gekommen. Zudem wolle man mit dem Entscheid, bei den Anlässen zu sparen, signalisieren, dass man sich ganz auf den Kernauftrag Verteidigung fokussiert.

Info 3, 01.02.2024, 17 Uhr;kesmu

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