Auf dem Churer Friedhof Daleu steht das vermutlich einzige Denkmal zum Nationalsozialismus in der Schweiz. Der Churer Stadtrat hat jetzt eine Infotafel anfertigen lassen. Der Text gab im Gemeindeparlament zu reden. Mitte-Politiker und Politiker der SP äusserten ihren Unmut: Für sie fehlen im Text kritische Antworten auf Fragen zum Nazi-Stein.
Wir hätten auf der Tafel gerne gelesen, ob die Behörden damals wussten, dass es ein Nazi-Denkmal ist.
Tino Schneider von der Mitte hatte vor einem Jahr einen Vorstoss eingereicht und darin eine saubere Aufarbeitung der Geschichte des Nazi-Denkmals und eben diese Infotafel gefordert. Er sagte im Rat, seine Partei nehme den Vorschlag zähneknirschend an. «Wir hätten auf der Tafel gerne gelesen, ob die Behörden damals wussten, dass es ein Nazi-Denkmal ist», sagte Schneider.
Allgemein fehle der nationalsozialistische Kontext. Es werde zum Beispiel nicht beschrieben, wie damals der Einfluss nationalsozialistischer Organisationen in Graubünden war.
Der Stadtrat hat eine Chance verpasst, dem wachsenden Antisemitismus und Rassismus entgegen zu wirken.
Angela Carigiet-Fitzgerald von der SP kritisierte zudem, der Text sei zu lang: «Man hätte die Tafel mit einem QR-Code besser gestalten können.» So sei sie unleserlich. Auch ihr fehlt die richtige Kontextualisierung: «Der Stadtrat hat eine Chance verpasst, dem wachsenden Antisemitismus und Rassismus entgegenzuwirken», sagte Carigiet-Fitzgerald.
Das steht auf der Infotafel
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Die Tafel wird in vier Themenbereiche gegliedert. Ein einleitender Text informiert über die Errichtung deutscher Grabanlagen und Denkmäler nach dem Ersten Weltkrieg und beschreibt konkret das Churer Denkmal.
Nachfolgend wird im Abschnitt «Das Grabdenkmal auf Daleu» dessen Chronologie aufgearbeitet. Beginnend im Jahr 1934 mit der Anfrage des Deutschen Hilfsvereins Chur, welcher als Beauftragter des Volksbunds bei der Stadt für ein Doppelgrab vorsprach.
Volksbund existiert heute noch
1938 traf der in München bearbeitete Stein in Chur ein und wurde anschliessend auf dem Friedhof Daleu aufgerichtet. Über eine offizielle Einweihung ist nichts bekannt. 1995 ging die Verantwortung für den Erhalt des Grabdenkmals auf die Stadt Chur über.
Auf der Informationstafel wird auch auf die dort begrabenen deutschen Internierten verwiesen. Ihre Namen, welche auf der Längsseite des Denkmals aufgeführt sind, werden mit Todestag und Bestattungsort auf der Tafel aufgeführt. Ein weiterer chronologischer Teil der Tafel widmet sich dem Volksbund, welcher sich seit 1919 um deutsche Soldatengräber kümmert und sich 1933 eng mit dem nationalsozialistischen Regime verband. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge existiert noch heute.
Rechts-bürgerlich schweigt
Da der Kanton die historischen Forschungen weiterführt, fordert Mitte-Links nun, dass die Tafeln bei neuen Erkenntnissen angepasst werden müssten. Mitglieder der SVP und FDP äusserten sich in der Diskussion nicht.
Stadtpräsident Urs Marti gab die Verantwortung über den Inhalt der Tafeln ab, an die Historikerinnen und Historiker, welche den Text verfasst haben. «Man wollte unbedingt eine politische Färbung verhindern», so Marti. Am Text werde nichts mehr geändert. Der Rat akzeptierte dies zum Schluss mit 18:0 Stimmen einstimmig.
Unbemerkt bis im Januar 2023
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Unbemerkt steht in Chur ein Relikt aus verdrängten Zeiten – das erste und bisher einzige entdeckte nationalsozialistische Denkmal der Schweiz. SRF deckte auf: Das Monument war Teil eines Heldenkults, mit dem Hitler den Krieg legitimierte. Für die Stadt stellte sich die Frage, was damit geschehen soll.
Der Nazi-Stein befindet sich seit 1938 mitten in der Bündner Hauptstadt auf dem Friedhof Daleu. Auftraggeber des Denkmals war der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Diese Organisation wurde 1919 für die Pflege von deutschen Soldatengräbern gegründet und kümmerte sich bald um die Gräber der gefallenen Soldaten im Ausland.
Weitere Projekte fallengelassen
Die Bezeichnung «Nazi-Stein» sei für das Churer Denkmal zulässig, sagte Historiker Bernd Ulrich. Er ist Mitautor eines 2019 erschienenen Buchs zum Volksbund: «Es ist ein nazistisch geprägter Gedenkstein für deutsche internierte Soldaten, um es irgendwie sachlich auszudrücken.»
Propagandistisch wurden die Toten ab 1934 als Helden des Dritten Reichs inszeniert und am Heldengedenktag gefeiert. Bei St. Gallen, auf einem Aussichtspunkt, wollte der Volksbund eine veritable Totenburg bauen. Doch als die Pläne 1937 öffentlich wurden, war die Empörung riesig. Die Rede war von einem militärischen Vorposten und einer nazideutschen Unverschämtheit. Der Volksbund musste sich zurückziehen und liess auch Projekte in Basel und Luzern fallen.
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