Der Countdown läuft: Ende Jahr wechselt die Gemeinde Moutier mit 7000 Einwohnenden vom Kanton Bern zum Kanton Jura. Der Wechsel setzt einen Schlusspunkt im jahrzehntelangen Jurakonflikt. Nach wie vor bereitet der Kantonswechsel dem Berner Vize-Staatsschreiber David Gaffino Kopfzerbrechen. Er findet den Aufwand «unverhältnismässig».
SRF News: Was ändert sich für die Leute ganz konkret?
David Gaffino: Für einige hat es eine grosse symbolische Bedeutung, endlich ein jurassisches Nummernschild am Auto zu haben. Sie haben auch keine Probleme mehr damit, dass gewisse Korrespondenz auf Deutsch in den Briefkasten flattert. Die Strukturen und Dienste des Kantons sind im Jura zwar anders organisiert. Aber sehr viele Dinge werden sich nicht ändern.
Es ist kompliziert und eigentlich auch ein bisschen verrückt, diesen Wechsel überhaupt zu machen
Was ist das Wichtigste, das bei dem Kantonswechsel nicht vergessen werden darf?
Der Wechsel von Moutier ist demokratisch gewollt, wir wollen den Prozess so sauber wie möglich zu Ende zu bringen. Aber es gibt extrem viel zu tun, es ist kompliziert und eigentlich ein bisschen verrückt, diesen Kantonswechsel zu machen. Die Regierung und ich plädieren dafür, dass wir so etwas zum letzten Mal machen.
Weshalb?
Es ergibt eigentlich nicht wahnsinnig viel Sinn, dass Moutier den Kanton ohne die Nachbargemeinden wechselt. Das ist geografisch und strukturell nicht ganz logisch. Es macht in der heutigen Welt keinen Sinn, so eine Übung zu wiederholen.
Was macht den Kantonswechsel so komplex?
Für den Kanton Bern mag die 7000 Einwohner zählende Gemeinde Moutier auf den ersten Blick klein erscheinen, doch für den Berner Jura war sie ein wichtiges Regionalzentrum mit wichtiger Infrastruktur und Verwaltung. Behörden wie Polizei und Gerichte müssen nun anderswo im Berner Jura eingerichtet werden.
Der Jurakonflikt im Zeitraffer
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Bild 1 von 12. Mitglieder der jurassischen Separatistengruppe Béliers demonstrieren in Bern für einen unabhängigen Kanton Jura, 1972. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 12. Anschlag der geheimen Separatistengruppe «Front de Liberation Jurassien» auf ein Munitionsdepot der Armee in Glovelier (BE), 1972. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 12. Berntreue stören eine Versammlung der autonomen «Jeunesse Sud» in Tavannes, 1976. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 12. Mitglieder der jurassischen Separatistengruppe Béliers demonstrieren gegen den Kanton Bern, 1980. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 12. Die Berner Polizei beschlagnahmt Kampf- und Schutzausrüstungen des separatistischen «Rassemblement Jurassien», 1980. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 12. Mit Kreide wird «Jura libre» auf den Rasen des Berner Fussballstadions Wankdorf geschrieben. Bern spricht von einem Vandalenakt, 1983. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 12. Das Denkmal des unbekannten Schweizer Soldaten «le Fritz» in Les Rangiers wird von den jurassischen Separatisten vom Sockel gestürzt, 1984. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 12. Die Statue der Justitia vom Gerechtigkeitsbrunnen liegt in der Berner Altstadt zerschmettert am Boden, nachdem sie von der jurassischen Separatistengruppe Béliers gestürzt wurde, 1986. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 12. Der Bélier-Aktivist Christophe Bader wird von einem Sprengsatz in seinem Wagen in der Berner Innenstadt getötet. Die Hintergründe der Tat bleiben im Dunkeln. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 12. In Saint-Brais wird Bader beerdigt. Hinter dem Sarg stehen die trauernden Eltern des Bélier-Aktivisten, 1993. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 12. Der Unspunnenstein wurde 1984 von den jurassischen Separatisten Béliers aus dem Museum der Jungfrauregion gestohlen. 2001 wurde der Stein wieder zurückgegeben. Shawne Fielding Borer, offizielle Botschafterin der Landesausstellung Expo.02, nahm ihn in Empfang. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 12. Die Béliers installieren den auf der Obwaldner Älggialp gestohlenen «Mittelpunkt der Schweiz» in Bellelay (JU), 2009. Bildquelle: Keystone.
Ob Winterdienst, Archäologie oder Nummernschilder. Sie müssen beim Kantonswechsel an alles denken, dürfen nichts vergessen. Wovor fürchten Sie sich?
Der Kanton Bern funktioniert zweisprachig gut, weil er die entsprechenden Strukturen hat. Ein Beispiel hierfür ist der garantierte Sitz in der Kantonsregierung. Dies, obwohl nur 10 Prozent der Bevölkerung französischsprachig sind, 90 Prozent sind deutschsprachig. «Schluss damit, wir brauchen diesen Zirkus für die Frankophonen nicht mehr», solche Vorstösse gab es bereits. Das wäre aus meiner Sicht fatal. Denn nur dank dieser Strukturen ist es für den Berner Jura möglich, im Kanton Bern gut zu leben.
Das Gespräch führte Thomas Pressmann
Adieu Bern: Moutier feiert Kantonswechsel zum Jura
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Bild 1 von 4. Die Bevölkerung in Moutier feiert den Kantonswechsel zum Jura. Bildquelle: Keystone/Jean-Christophe Bott.
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Bild 2 von 4. Auf den Strassen herrscht ausgelassene Stimmung. Bildquelle: Keystone/Jean-Christophe Bott.
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Bild 3 von 4. Neo-Jurassier stossen in Moutier auf den Kantonswechsel an. Bildquelle: Keystone/Jean-Christophe Bott.
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Bild 4 von 4. Beide Kantone sagte deutlich Ja zum Kantonswechsel. Bildquelle: SRF/Aline Langenegger.