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Ausbau erneuerbarer Energie Windoffensive: Parlament will Einsprachen einschränken

Letztes Jahr wurde in der Schweiz keine einzige neue Windturbine gebaut, obwohl viele Projekte in Planung sind. Die Umweltkommission des Nationalrats will deshalb die Möglichkeiten für Einsprachen reduzieren. Davon profitieren würden sechs Windkraft-Projekte – doch die Pläne sorgen für Kritik.

Das letzte Mal haben sie sich vor Gericht gesehen: François Leresche, der seit über zehn Jahren gegen den Windpark Mollendruz kämpft, und Balthasar Brandner, der ihn bauen will. Nun sind sie beide auf den Col du Mollendruz im Waadtländer Jura gekommen, wo künftig zwölf Turbinen stehen sollen. Sie wollen ihre Position erklären.

«Das Projekt gehört zu einer Strategie, die den ganzen Jura mit Windturbinen dekorieren möchte», kritisiert François Leresche. Er ist zusammen mit fünf Organisationen bis vor Bundesgericht gegangen, um den Windpark zu verhindern. «Unser Ziel ist, dass die Landschaft frei von industriellen Anlagen bleibt.» Das sei zentral für bedrohte Tierarten, die auf dem Col du Mollendruz leben, und für die Menschen.

Baubewilligung fehlt bei sechs Projekten

Balthasar Brandner, Verwaltungsratspräsident der Energie Naturelle Mollendruz, die das Projekt plant, hält dagegen: «Es fehlt uns Strom im Winter. Und Windpärke produzieren zwei Drittel des Stroms im Winter. Zudem ist Windkraft eine sehr umweltfreundliche Methode, Strom zu produzieren.»

Das Bundesgericht hat den Richtplan von Mollendruz bereits gutgeheissen. Doch noch fehlt die Baubewilligung, und es gibt weitere Möglichkeiten für Einsprachen. Fünf andere geplante Windparkprojekte sind etwa gleich weit.

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Legende: SRF

Die insgesamt 39 Windturbinen könnten gemäss den Planern Haushaltsstrom für rund 249'000 Personen produzieren. Parlamentarierinnen und Parlamentarier wollten im letzten Herbst eine Windoffensive starten, um diese Projekte zu beschleunigen. Sie wollten unter gewissen Umständen keine Einsprachen mehr ermöglichen. Das hätte aber gegen die Verfassung verstossen.  

Nun startet die Umweltkommission des Nationalrats einen zweiten Anlauf. Nächste Woche wird sie ein dringliches Gesetz ausarbeiten. Dafür engagiert sich Priska Wismer-Felder, Mitte-Nationalrätin aus dem Kanton Luzern und Vizepräsidentin des Windkraftverbands Suisse Eole: «Die Projekte, deren Richtplan schon vom Bundesgericht beurteilt wurden, sollen schnell realisiert werden.»

Neue Pläne der Umweltkommission

Eine Beschwerde gegen die Baubewilligung wäre nur noch beim Kanton möglich, ein Weiterzug vor Bundesgericht bliebe verwehrt. Wismer-Felder sagt: «Schon im Winter 2024/25 könnten die Anlagen dadurch am Netz sein.» In der Kommission hat kein einziger Parlamentarier gegen diesen Vorschlag gestimmt.

«Parlament agiert im Feuerwehrmodus»

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Die neue Windoffensive sei mit der Verfassung vereinbar, sagt Markus Kern, Ordinarius für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Bern. Trotzdem kritisiert er: «Das Parlament agiert in diesem Zusammenhang in einer Art Feuerwehrmodus. Wünschenswert wäre meines Erachtens, dass man den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Gesamtheit anschaut.» Es brauche eine durchdachte, umfassende Regelung. Gerade, weil der Ausbau der erneuerbaren Energien so wichtig sei.

Für den Staatsrechtler ist die Solaroffensive vom letzten Herbst ein Beispiel, das zeigt, warum ein schnelles Vorgehen problematisch ist. Das Parlament erlaubte innert weniger Wochen den erleichterten Bau von Solargrossanlagen in den Alpen: «Jetzt zeigt sich, dass da wichtige Punkte vergessen gegangen sind. Und der Bundesrat versucht jetzt, diese Fehler auf Verordnungsstufe auszubügeln.»

«Ich spüre, dass die Bevölkerung von uns in der Politik erwartet, dass wir jetzt handeln, um die Versorgungssicherheit in den nächsten Wintern zu gewährleisten», ist sich Wismer-Felder sicher. Das Parlament wird voraussichtlich in der Frühlingssession über die Windoffensive entscheiden.

10vor10, 17.01.2023, 21:50 Uhr

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