Nicht in allen Regionen kommt der Weidmann-Bericht gut an, etwa in Basel. Das Basler Verkehrsprojekt einer S-Bahn durch die Stadt namens Herzstück und der Tiefbahnhof wurden nicht als prioritär eingestuft. Der im November 2024 von der Schweizer Stimmbevölkerung abgelehnte Bau des Autobahn-Rheintunnels hingegen schon. Genau wie die dritte Röhre des Autobahntunnels Rosenberg in St. Gallen. Die anderen abgelehnten Autobahn-Ausbauprojekte bleiben im Wartesaal für die Zeit nach 2045.
Das sind nur zwei der zahlreichen Erkenntnisse des Expertenberichts. Auf der Gewinnerseite ist die Zentralschweiz, weil der Durchgangsbahnhof Luzern vollumfänglich gebaut werden soll. Eher zu den Verlierern zählt hingegen die Nordwestschweiz, weil die grossen Bahnprojekte im Grossraum Basel auf die lange Bank geschoben werden.
Der Bericht von ETH-Professor Ulrich Weidmann ist vor allem eine schonungslose Analyse zur Schweizer Verkehrspolitik. Ganz schlecht schneidet dabei die eigentliche Paradestrecke Genf-St. Gallen ab. Die vier geprüften Bauprojekte auf der West-Ost-Achse konnten den Verkehrsprofessor offensichtlich nicht überzeugen. Zu dieser Achse fehle schlicht eine überzeugende Perspektive.
Alle Projekte hätten unterschiedliche Konzepte, «ohne dass diese in eine stimmige Strategie eingebettet werden», heisst es im Bericht. Vor lauter Wünschen aus den Regionen hat die Bundespolitik also das grosse Ganze aus den Augen verloren. Obwohl diese West-Ost-Achse wesentlich für das Schweizer Bahnnetz ist und die Regionen ihren ÖV daran ausrichten.
Drei Punkte besonders umstritten
Aus dem Bericht von Professor Weidmann wird die Politik jetzt die Schlussfolgerungen ziehen. Drei Punkte dürften besonders umstritten sein:
- Ob die vom Stimmvolk abgelehnten Projekte zum Autobahnausbau erneut aufgenommen werden, obwohl ein Referendum von link-grün dagegen droht.
- Ob die Stimmberechtigten mehr Mittel für den Ausbau des Bahnverkehrs sprechen werden.
- In welcher Form das Stimmvolk über die Ausbauprojekte für die Autobahnen und die Eisenbahn dereinst abstimmen kann.
Für Bundesrat Rösti ist es demokratiepolitisch nicht bedenklich, dass abgelehnte Autobahnprojekte wieder aufgenommen werden könnten. Der Kritik daran begegnet er mit dem Verweis auf die künftigen Abstimmungen: Dass das Stimmvolk dereinst separat das Referendum ergreifen kann, gegen den Ausbau der Autobahnen oder gegen den Ausbau der Bahn, so der Bundesrat.
Nur eine oder zwei separate Abstimmungen?
Aber in den National- und Ständerat kommt der Ausbau von Autobahnen und Bahn in einem sogenannten Mantelerlass zusammengefasst. Das heisst, dass am Ende nur ein Ja oder Nein zu beidem - Autobahn- und Bahnausbau - möglich ist. Anders als der Bundesrat könnte das Parlament entscheiden, dass über die Ausbau-Projekte für Schiene und Strasse nur zusammen abgestimmt werden kann.
Das würde dann vor allem links-grün ins Dilemma bringen. In diesem Fall könnte gegen den Ausbau der Autobahnen kein Referendum mehr ergriffen werden, ohne dass gleichzeitig der Bahnausbau ausgebremst würde. Dass der Ausbau des Bahnverkehrs und der Autobahnen im Parlament nun gemeinsam beraten werden, könnte in der Verkehrspolitik zu taktischen Manövern führen.